Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
wütete ein Feuer. Jeder Muskel in ihr wollte wohl in diesem Augenblick an einem anderen Ort sein, nur nicht in ihrem Körper. Der ganze Dreck war einfach viel zu anstrengend.
A trank gierig eine Flasche Wasser leer, setzte ab und stützte die bandagierten Hände auf den Knien ab. Schweiß rann von ihrer Stirn auf den kahlen Beton.
»Das hat noch nie jemand geschafft!« Die Stimme sollte sicherlich aufmunternd klingen, tat sie aber nicht. Anevay versuchte krampfhaft, nicht ohnmächtig zu werden, sie hustete, ihr Magen rutschte dabei eine halbe Etage höher. Nicht gut. Gar nicht gut.
»Bist ein zähes Miststück, wenn ich das so sagen darf.«
Ja, durfte er. Dimitri durfte fast alles sagen, er redete sowieso pausenlos, meist von Musik und Frauen oder von Tee. Aber wenn er ein Lob verteilte, dann war es ernst gemeint, denn damit ging er sparsam um.
»Die Zeit?« A hauchte die wenigen Silben nur. Dimitri schaute auf seine Stoppuhr, kniff die Augen zusammen, wobei seine Lachfältchen sich kräuselten. Dann schüttelte er die Uhr, hielt sie sich ans Ohr und grinste dabei. ›Bastard!‹
»Verstehe«, grinste sie zurück. Er klopfte ihr väterlich auf die nassen Stoppelhaare.
»War das Miststück nicht Zeitangabe genug?« Doch war es. Anevay blickte hoch zum verglasten Büro, wo Voka mit verschränkten Armen hinter den schmuddeligen Scheiben stand. Dann wandte sich der Muskelberg ab und verschwand.
»Das bedeutet, dass er nachdenklich geworden ist.« Dimitri reichte ihr ein altes, mottenzerfetztes Handtuch. A nahm es, wischte sich das Gesicht ab. Ihre Lungen bekamen wieder Luft statt Feuer. Sie ging auf die Waschräume zu, zog sich das Shirt über den Kopf und warf es in eine Tonne aus gebogenem Draht. Dimitri blieb an der Tür stehen, während sie eine Dusche anmachte, sich die kurze Hose auszog und das lauwarme Wasser genoss.
Die prasselnden Tropfen trafen ihren Körper, ein himmlischer Segen. Sie griff nach der Kernseife.
»Du solltest das nicht tun.« Sie drehte sich nicht um, ließ Wasser in ihren Mund fließen, gurgelte und spuckte den Schwall gegen die verblichenen Fliesen.
»Was nicht tun?« Sie erholte sich bereits, sie spürte es. Alles nahm in ihr wieder seinen Platz ein. ›Gut. Sehr gut.‹
»Du machst die Jungs nervös.«
Anevay hielt inne. Das Wasser rauschte. Sie spürte plötzlich seinen Blick in ihrem Rücken, der tiefer glitt, als er es tun sollte. ›Nicht auch du noch.‹ Fingermanns gebleckte Zähne tauchten vor ihr auf. Ihre Muskeln, noch malträtiert zwar, spannten sich an. Für einen Moment war sie sprachlos, erstarrt wie ein Kind. Doch diese Zeiten waren vorbei.
»Du solltest jetzt besser gehen.« Sie legte keine Schärfe in die Stimme, nur Fakten. A hörte, wie sich sein Schatten von ihrem Rücken löste.
»Wollt's nur gesagt haben.«
A stand da, die Seife in ihrer Hand war zerquetscht. Ihre Kiefer mahlten. Eine hungrige Mischung aus Rätsel und Verstehen machte sich in ihr breit. Sie drehte den Hahn zu. Letzte Tropfen perlten auf ihre Haut, den Boden. Es klang wie ein nasses Seufzen. Mit der Zunge fummelte sie an dem neuen Zahn herum. Verdammt, das Ding fühlte sich härter an als die anderen. Sie schlug die Kiefer ein paar Mal aufeinander. ›Hatte sich der Klang verändert? Verdammt. Es hörte sich an wie … sie spitzte die Ohren - Metall, nein, Glas? Ach, das alles war nur Dreck.‹ Sie versuchte doch nur sich abzulenken.
Francesca hatte Spaghetti gemacht, wieder einmal. A stocherte darin herum, die Gabel kratzte über die emaillierte Glasur. Sie war in Gedanken versunken. Der letzte Brief hatte sie mächtig aus der Bahn geworfen, als würde sie auf der falschen Straßenseite gehen.
Robert hatte nur drei Zeilen geschrieben, aber diese hatten ihr Herz entflammt, wieso, das wusste sie nicht. Sie dachte aber in jeder wachen Sekunde darüber nach. Wahrscheinlich sogar in den unwachen. Anevay griff das Glas mit der Getreidemilch und nippte.
»Das sieht aber gar nicht gut aus.« Francesca lächelte ein wundervolles Lächeln.
›Wie machte sie das nur?‹
»Tut mir leid, ich … ich denke nach, glaube ich.« A wusste selbst nichts mit diesem Satz anzufangen, aber nun war er schon mal draußen.
»Einmal in Bewegung sind Männer wie Flutwellen . Entweder du kannst schwimmen, oder …!«, so benannte diese beinahe vollkommene Schönheit das Problem, drehte ein paar Nudeln dabei ein und beförderte diese zwischen ihre zinnoberroten Lippen, nachdenklich kauend. A war schwer
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