Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
Ihrem Offizier einen Mord anzuhängen. Vielleicht hat Coldlake danach etwas herausgefunden, dass Sie auf keinen Fall erfahren dürfen. Als das eine nicht gelang, entfernten sie diese Figur vorsichtshalber aus dem Spiel, und zwar so, dass es eine Nachricht für Sie ist.« Sie sammelte seelenruhig die Fingerkuppen ein, legte sie in ein Taschentuch und dann dem Toten auf die Brust. Blut sickerte durch den Stoff, hinterließ ausgefranste Flecken. Robert musste schlucken.
»Wenn Sie mich fragen, dann will Sie jemand an die Kette legen, Lord Humberstone.«
Das Dumme an solchen Verschwörungstheorien war leider, dass es von potentiellen Kandidaten immer nur so wimmelte. Er hätte nicht gewusst, wo er anfangen sollte.
»Ich muss ein paar Vorkehrungen treffen.«
Famke nickte, halb traurig halb bewundernd. »Ich werde mich um Mr Coldlake kümmern, Sir.«
»Danke.« Damit verließ er die Suite. Zum Glück hatte er mit den Vorkehrungen schon vor einigen Wochen angefangen. Jetzt würde sich zeigen, ob sie entdeckt worden waren.
Er schlich durch die Seitengasse, den Kragen hochgezogen, rannte über die Straße und war nur Augenblicke später zwischen den mächtigen Bäumen verschwunden, die den Stadtsee umgaben. Mit gezogenem Revolver bahnte er sich einen Weg von Schatten zu Schatten, als wäre er auf feindlichem Boden unterwegs. Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, die kalte Luft brannte in der Kehle. Auf dem See ging eben ein Segelschiff in Flammen auf und fürchterlicher Donner wallte über die Dächer bis in seinen Magen. Das war die Kanone eines großen Kriegsschiffes gewesen, Tyr-Klasse, da war er sich sicher. Worauf feuerten die denn? Er stolperte, rappelte sich auf und sah eine reglose Gestalt halb hinter einem Stamm, halb im Gebüsch liegen. Mit keuchendem Atem beugte sich Robert hinunter, den Revolver im Anschlag. Es war ein toter Rabenmann, der sich dort in schwarzer Maske und Umhang deutlich vom Schnee abhob. Kein Blut! Der Lord nahm die Maske ab, ein blasses Gesicht, noch mehr Junge als Mann, die Augen schreckensweit aufgerissen, als habe ihn etwas mehr als nur überrascht. Keine Zeit. Robert hastete weiter, bis er endlich das Wallhall erreicht hatte und beglückwünschte sich dazu, dass er auf niemanden hatte schießen müssen. Er öffnete die gut getarnte Kellertür, schloss sie wieder, dann ging er zum Lastenaufzug, ließ das Gatter herunter und öffnete nur wenig später die Tür zum Turmzimmer.
Poe flitzte über die Bodendielen, sprang, wurde zu Rauch und vom Rauch zurück zu einem kleinen Hamster, der zielsicher in Roberts Ärmel tauchte, sich nach oben schlängelte und dann aus dem Hemd heraus besorgt schimpfte.
»Ich hab mir große Sorgen gemacht. Da draußen hört es sich gar nicht gut an, gar nicht gut, hörst du!«
Robert streifte den Mantel ab und warf ihn in einen Sessel. »Nun beruhige dich mal wieder, mir ist ja nichts passiert.« Er nickte Taris zu, der auf der Lampe am Schreibtisch hockte und als einzige Freundlichkeitsbekundung kurz das Nackengefieder sträubte und dann das gesunde Auge wieder schloss, als wäre er bei einem Nickerchen gestört worden.
› Mir ist nichts passiert, aber Coldlake.‹ Doch das sagte er dem kleinen Hibbelmors besser nicht. Skee war wie immer nicht anwesend und Robert wollte verdammt sein, wenn der tote Rabenmann nicht auf ihr Konto ging. Sie mochte ein mürrischer, streitlustiger, eigensinniger Clangeist sein, aber sie hatte wahrscheinlich den ganzen Weg zwischen den beiden Hotels für ihn aufgeräumt . Es musste schrecklich für den armen Jungen gewesen sein, solch ein Wesen plötzlich an Land und zwischen ein paar Bäumen zu erblicken. Er kippte den Gedanken mit einem Schluck Scotch in die Grube des Vergessens. Es mochte sein, dass die Zeit für moralischen Anstand und adlige Zurückhaltung der Vergangenheit angehörten. Dies waren keine Wortgefechte mehr mit einem aufgeblasenen Fürsten, dies kam langsam einem geheimen Krieg gleich.
Poe wechselte noch immer zwischen Nörgeln und Kuscheln. Manchmal meckerte er auch Taris an, warum er denn nichts dazu zu sagen habe, während Robert einen Brief mit Anweisungen für Anevay schrieb. Es war gut, einen Joker im Ärmel zu haben, von dem niemand auch nur ahnen konnte.
Und dann zeigte ihm die Magie, dass man die Gesetze ihrer Möglichkeiten getrost über Bord werfen konnte. Als er auf dem Tisch sein Labyrinth ausbreitete und die Silberhaut plötzlich eine junge Frau zeigte, das Bild gestochen scharf und
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