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Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Titel: Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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jemandem legt man sich besser nicht an, es sei denn, du willst unbedingt draufgehen.«
    Anevay beugte sich vor, die Worte pochten in ihrem Bauch.
    »Was geschah mit ihm?«
    Skrimma stopfte sich das letzte Stück Braten zwischen die Zähne und wischte mit dem Handrücken genüsslich über die verschmierten Lippen. Er wusste, wie man Spannung aufbaute und A merkte, dass die Nordmänner die Dramatik sehr schätzten. Aber doch nicht jetzt!
    »Fenrir steht auch für die Dunkelheit.« Jetzt flüsterte er, sein Blick war weit weg, vielleicht zu Hause in den düsteren Wäldern, die hier niemand kannte. »Sie haben ihn letztendlich gefesselt, diese Törichten, doch noch bevor er angekettet war, haben seine Zähne Tyr, dem Gott des Krieges, die Hand abgebissen. Noch immer zerrt und heult er dort draußen.« Skrimma schluckte, A sah, wie seine Kehle sich verspannte.  »Am Ende aller Tage wird er sich losreißen und dann wird er Odin selbst verschlingen. Eine Zeit wird enden, eine neue beginnen - Ragnarök!«
    Stille.
     
    Als Anevay die Tür aufschloss, wusste sie sofort, dass jemand in ihrer Wohnung gewesen war. Sie schloss die Tür nicht - zu laut - griff ohne hinzusehen über den Rahmen und hatte dann eine Klinge in der Hand, die scharf wie ein Rasiermesser war, weil es eben ein Rasiermesser war.
    Sie hielt den Atem an und lauschte. Durchdrang die wenigen Quadratmeter mit ihren Sinnen. Wer immer es gewesen war, er war nicht mehr hier. Der Geruch war nur noch ein undeutliches Etwas, das seine Präsenz verloren hatte. Doch sie entspannte sich nicht, sondern ging, ohne das Licht anzuschalten, weiter durch den kurzen Flur. Ein schneller Blick glitt in die kleine Küche, wieder zurück in den Gang. Die Tapete war wirklich Mist. Ihre Stiefel knarrten auf dem Boden, schmatzten leicht, von dem Schnee, der sich in die Sohlen gesaugt hatte.
    Das Wohnzimmer war nur durch das Fenster erhellt und auch das nur wenig, weil es voller Eisblumen war. Der Schreibtisch stand da und warf längliche Schatten, die zwei Stühle ebenso, das Bett an der Wand war unberührt; sie merkte sich, wie die Falten lagen, wenn sie die Decke zurückschlug, jeden Tag! Sie stand dann davor und glaubte, ihr Leben könne davon abhängen, sich dieses Muster einzuprägen.
    A klappte das Rasiermesser zusammen, ging zurück, verriegelte die Tür, stellte die Milchflasche auf den Knauf. Erst jetzt atmete sie wieder aus. Sie legte den Mantel ab, dann alles andere. Die Luft war kalt, ihre Haut kribbelte davon. Leben, das war alles, was sie wollte. Das Leben spüren. Oder war es vielleicht etwas Anderes, das sie suchte? Sie legte sich nackt auf das Bett, fror. Zuerst eine dann die andere Hand legte sich um den rostigen Bettrahmen, umschloss diesen fest. Dann suchte sie mit den Zehen die Stange am Ende, fand sie, stemmte sich hoch, bis sie über ihrem Laken schwebte, nur durch die Kraft ihrer Muskeln. Kein Blut, keine Frau.
    Nichts!
    A zwinkerte, sog die kalte Luft des Zimmers in ihre Lungen. Eine Träne tropfte auf ihr Kissen. Ganz leise. Sie spannte ihre Beine an, drückte gegen den Rahmen, fasste fester zu. Ihr Rücken spannte sich wie ein schützender Fächer, wie ein Labyrinth, gab ihr Kraft. Aber all das war nicht wichtig, nicht jetzt.
    Anevay schwebte über den Eisenrohren, aus denen ihr Bett gemacht war, die Arme und Beine wie ein Pfeil ausgestreckt, ließ sich sinken und stemmte sich wieder hinauf zu einem unbekannten Flug. Liegestütze, bis ihr Körper endlich Nein sagte, weil es nicht mehr weiterging.
    Wer immer mit ihr in die Grube treten mochte, er würde auf etwas treffen, das ihm bis dahin noch nicht begegnet war. Er würde auf Eisenholz treffen, umhüllt von Haut.
    Anevay faltete den letzten Brief, den Robert durch das Labyrinth geschickt hatte, auseinander. Es waren kurze Sätze, in Eile geschrieben. Das mochte sie nicht, seine Schrift war sonst elegant gewesen, ein ruhender, wissender Pol, so dass sie sich nie Sorgen machen musste.
    Weil ich heute Nacht vielleicht sterben werde!
    Anevay keuchte, ihre Arme und Beine zitterten. Die Hände auch. ›Verdammt!‹ Eine Wölbung war in den Brief gewoben. Er hatte es von seinem Hals genommen und sie wusste nicht, ob sie bereit dafür war. ›War sie das überhaupt? Bereit für ihn? Wollte sie das auch, bereit sein? Durfte sie sich solche Gefühle erlauben, hier, hier in New York? Dort, wo alles kalt und warm zugleich war? Dort, wo die Sonne nie schien und dennoch strahlte?‹
    Sie kippte den zweiten Umschlag und

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