Das Limonenhaus
ist schon in Ordnung für mich. Wirklich.«
Er schaute mich zweifelnd an. »Ich kann das schlecht erklären, Lella, ich habe mir da wohl etwas eingeredet... und jetzt, wo ich mit dir... das war so offen und ehrlich, meine ich...«, stöhnte Phil und brach mitten im Satz ab.
Ich schaute ihn nicht an, sondern sprach nach vorne durch die Windschutzscheibe, während ich sagte: »Ich gebe dir einen Tipp: Offen und ehrlich ist manchmal wunderbar, aber in diesem Fall nicht. Erzähl ihr nichts! Es war eine... Ausnahmesituation, oder? Nennt man das nicht so? Du hast dir etwas eingeredet? Ich mir auch.« Ich schaffte es, sogar zu lachen. »Vergessen wir’s einfach.« Wie locker die Worte aus meinem Mund geflossen kamen, obwohl ich mich gleichzeitig übergeben wollte.
»Komm, Mátti!« Ich sprang aus dem Auto und öffnete die hintere Tür. Als ich Matildes Sachen auf dem Rücksitz zusammensuchte, heulte ich nicht, auch nicht, als Phil beide Koffer, den Korb und Leonardos alte Fototasche neben das Auto stellte und mich kurz umarmte.
»Lass es dir gut gehen, Lady Madonna«, flüsterte er.
Lady Madonna? Den Namen hatte er mir auch auf Salina nachts ins Ohr geflüstert. Ich fragte auch jetzt nicht nach dem Grund. »Du dir auch«, konnte ich nur noch antworten, dann stieg er ein und fuhr davon.
Das konnte nicht sein, das war ein ganz schlechter Film, ein denkbar mieses Ende für unsere Geschichte. Im Kino wäre ich jetzt hinausgegangen. Ich versuchte den Schmerz beiseitezuschieben. Denn niemand konnte den schlechten Film noch stoppen, und die Stufen der Kanzlei, auf denen ich zusammenbrechen wollte, verschwammen vor lauter Tränen. Er war wirklich weg! Nicht daran denken. Ich nahm Matilde an die Hand, drückte mein Kinn gegen die Brust,
zog die Nase hoch, nahm dann die Schultern nach hinten und tastete nach der Klingel.
Niemand öffnete. Ich klingelte noch einmal. Matildes Hand lag warm und klebrig in der meinen. Zu viele Schokoladenprinzen.
Da tippte mir von hinten jemand auf die Schulter. Aha, die alte Spaßnummer von Claudio. Ich drehte mich nicht um. Ich hasse es, wenn sich jemand an mich anschleicht. Matildes Hand rutschte weg, zu spät griff ich zu, und im selben Moment drückten zwei Fäuste mit gewaltiger Kraft in meine Nieren und stießen meinen Körper gegen die Tür. Jemand zischte auf Sizilianisch: »Mach jetzt kein Geschrei, du Hure! Sonst müssen wir dir wehtun, und wir wollen die Kleine doch nicht erschrecken, wir wollen sie nur zu ihrer Familie bringen, wo sie hingehört.« Ganz leise sprach er. Wir sahen aus wie zwei Menschen, die vor einer Tür warteten, im Vorbeigehen würde niemand merken, was hier vor sich ging. Ich hörte mich vor Schmerz aufkeuchen, hörte Schritte, Autos, einen laufenden Motor und keinen Ton von Matilde.
Plötzlich sah ich alles ganz scharf, wie unter einer Riesenlupe. Claudio verabredete sich mit mir, gab Grazias Brüdern einen Tipp und machte zwei Minuten zu spät die Tür auf. Es passte absolut zusammen. Ich hatte einen Fehler gemacht, das Unglück hatte mich wieder eingeholt. Ich nickte langsam, während ich angstvoll auf die Tür dicht vor meinen Augen starrte. Meine Gedanken sprangen gehetzt umher. Was tun? Nach der Polizei rufen? Mich losreißen und auf die Straße laufen? Jemanden um Hilfe bitten? Ich sah mich am Arm eines Passanten hängen, er machte sich los und ging weiter. Es war lebensgefährlich, sich einzumischen. Niemand würde mir helfen.
Ich betrachtete die Szene mit Matildes Augen. Sie kannte die drei, es waren die freundlichen, wortkargen Onkels, die in Teresas Wohnung ein und aus gingen. Sie werden Matilde nichts antun, schoss mir durch den Kopf, das ist die gute Nachricht, sie werden sie wenigstens gut behandeln. Ich biss die Zähne zusammen, Matilde durfte keine Angst bekommen.
»Ich möchte ihr den Koffer mitgeben«, sagte ich zu dem, der hinter mir stand. Statt der Fäuste gebrauchte er jetzt nur noch zwei Finger, um mich gegen die Tür zu drücken, was umso mehr schmerzte. »Sie soll denken, dass alles in Ordnung ist, bitte«, flüsterte ich.
»Dein Koffer interessiert uns nicht«, sagte er, und ich spürte, wie sehr er die Macht über mich genoss.
»Bleib so stehen, bis wir weg sind!« Er ließ von mir ab. Das Auto fuhr an, Türen klappten, ich drehte mich nicht um. Ich schaffte es kaum, mit meinem Finger auf der Klingel zu landen, so sehr zitterte er. Die Töne hallten schwach nach im Haus, dann wieder Stille. Ich wollte schreien, weinen, auf der
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