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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Haar vorsichtig zu bürsten, ein sauberes Nachthemd aus dem Koffer zu nehmen und ihren dünnen Körper damit einzuhüllen. Etwas knirschte zwischen meinen Zähnen, als ich mir Teresa dabei vorstellte. Wo, in welchem Bett lag Matilde jetzt? War sie in ihrem Kinderzimmer?
    »Phil hat für mich gespielt! Mit Bandito und den schwarzen Monstern!«, hörte ich ihre helle Kinderstimme in meinen Ohren. Bandito - gut, dass der wenigstens bei ihr war.
    Ich verhandelte mit mir, ein paar Erinnerungen könnte ich ruhig zulassen: Salina, das Haus, das Bett mit der dunkelgelben Tagesdecke, die Säulenterrasse, das war o.k. Die Orangen, Zitronen, der wilde Fenchel, alles noch erlaubt. Unsere abendlichen Essen in den Liegestühlen, eher gefährlich... und da war auch schon Phil mit seinen klaren blauen
Augen, den langen Beinen und schönen Füßen. Was hatte er für ein Glück, selbst seine Füße waren gelungen. Ich spürte die Kraft seiner Hände, mit denen er mich vergangene Nacht gehalten hatte, die Weichheit seines gründlich rasierten Gesichts vom heutigen Nachmittag auf dem Friedhof... Nein, das nicht, ich hasste ihn und seine Brigida! Schluss damit! Schluss mit den Gedanken an ihn, für immer! Von Erinnerungen und lächerlichen Hoffnungen hatte ich mein ganzes Leben gezehrt und war nie satt geworden.
    Morgen würde ich Claudio ausfragen. Wenn es die Möglichkeit gäbe, Matilde wiederzubekommen, würde ich allem zustimmen, selbst einer Heirat. Ich schaute auf mein Handy, 21.35 Uhr. Keine Nachricht. Aber warum sollte mir auch jetzt noch jemand eine Nachricht schicken? Warum sollte mir überhaupt jemand irgendwann wieder eine Nachricht schicken? Dennoch brachte ich es nicht fertig, das Handy auszuschalten. Vielleicht wollte mich doch jemand erreichen, redete ich mir ein. Claudios Vater vielleicht, Teresa, meine Mutter, die Polizei. Ich ließ das Handy an und hielt so den jämmerlichen kleinen Hoffnungsfunken, der tief in mir vor sich hin glomm und Phil hieß, am Leben. Dabei wollte ich den Funken am liebsten vergessen, einbetonieren, vergraben.
    Ich benahm mich immer noch lächerlich und hatte doch inzwischen alles verloren - Matilde, Phil, selbst Leonardos Stimme. Leonardo? Keine Antwort. Er war tot und würde nie mehr zu mir sprechen.

Kapitel 23
    PHIL
    Auf der Autobahn gab ich Gas, hielt das Lenkrad mit durchgestreckten Armen, raste konzentriert, trat das Gaspedal noch weiter durch, fuhr äußerst links, haarscharf an der Leitplanke vorbei. Am liebsten hätte ich diese miesen sizilianischen Kerle, die nicht zur Seite fahren wollten, aus dem Auto gezerrt und ihnen meine Faust zwischen die Zähne gerammt. Doch mein Ärger war künstlich heraufbeschworen, um mich von den Fragen abzulenken, die wie Säure in mir hochstiegen. War es wirklich Zufall, dass Brigida mich in dem Moment, als ich sie verlassen wollte, mit ihrer Schwangerschaft überraschte? War es überhaupt mein Kind?
    Ich stellte mir alles vor, was wir miteinander getan hatten. Sie konnte ziemlich unersättlich sein. Hatte ich ihr vielleicht nicht genug geboten? War ich überhaupt gut im Bett? War da noch ein anderer im Spiel? Sofort ging ich alle Künstler der Galerie durch, von denen manche untertänig bei ihr im Büro herumscharwenzelten. Alle Fotografen, denen sie über ihre Internetagentur Jobs verschaffte, die sie aber auch persönlich kannte. Hatte sie es etwa mit einem von denen getrieben? »Es miteinander treiben«, schon der Ausdruck verursachte mir Brechreiz. Sollte ich einen Vaterschaftstest
machen lassen? Heimlich? Ich sah mich mit spitzen Fingern einen nassen Schnuller eintüten, und dann überwältigte mich der Gedanke wieder: ein Kind! Ich würde ein Kind haben! Unfassbar. Ich liebte es schon jetzt. Und was hatte Brigida gesagt: Du wirst Vater. Du. Na also, damit war ganz klar ich gemeint.
    Ich spielte noch ein paar Kilometer James Bond, bis mir Lella einfiel und ihre waghalsig-schlechte Art, Auto zu fahren. Ich sah ihr Lächeln, das auf Salina immer öfter in ihrem Gesicht aufgeflammt war, sah ihre weichen Haare und ihre vollendet runden Brüste vor mir, und erst als ich Autos hinter mir hupen hörte, bemerkte ich, dass ich nunmehr mit sechzig Stundenkilometern auf der linken Spur entlangschlich.
    Rechts von mir tauchte das Denkmal für Giovanni Falcone auf, den die Mafia vor einigen Jahren an dieser Stelle mit einer ferngesteuerten Sprengladung getötet hatte. Die Steinsäulen kannte ich von einem Foto aus meinem Reiseführer. Sie waren in der

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