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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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richtigen Papiere. Die müssen drüben bei meinem Sohn sein, er hat sich in den letzten Tagen intensiv damit beschäftigt.« Er schaute auf: »Sind Sie eigentlich in Deutschland verheiratet, Signorina Bellone?«
    »Nein.« Er wiegte den Kopf hin und her, als ob ihm meine Antwort sehr leidtäte.
    Vor ein paar Stunden hatte ich »Ja, ich will« zu Phil gesagt. Heute Abend flog er nach Hause und sank, wie es sich gehörte, vor Brigida auf die Knie. Vorbei.
    Der alte Notar faltete die Hände und musterte mich schweigend. Ich senkte den Blick auf die fein ziselierte Glaskaraffe und den Marsalla di Florio darin. Wahrscheinlich kostete das, was hier vor mir auf dem Tischchen stand, genauso viel wie das gesamte Mobiliar. Der Marsalla war fünfzehn Jahre alt und wurde nur nach besonderen Vertragsabschlüssen gereicht, das hatte Claudio mal erwähnt. Claudio,
den sie gezwungen hatten, mich zu verraten! Ob sie ihn zusammengeschlagen hatten? Das sähe ihm ähnlich, sich nicht mit schwarzblau-verschwollenen Augen zu zeigen, sondern stattdessen seinen Vater vorzuschicken.
    Ich schaute zu ihm herüber: »Ich brauche einen guten Anwalt, Signor Acquabollente!«
    »Sie brauchen gewichtige Fürsprecher, mutige, besonnene Freunde, das ist es, was Sie hier in Bagheria brauchen. Sie haben schon einmal hier gelebt? Mein Sohn hat da so etwas angedeutet. Er sagte, er würde alles tun, um Ihnen zu helfen. Alles, auch gewichtige Schritte. Familiäre Schritte.«
    Ich nickte und murmelte: »Natürlich.« Ich kannte die sizilianische Art, um die Dinge herumzureden, ich wusste sofort, worauf Claudio hinauswollte. »Danke, ich bin mir der Ehre bewusst. Sagen Sie Ihrem Sohn, ich werde darüber nachdenken.«
    Ich stand auf, wollte raus aus diesem Zimmer mit den abgewetzten Stühlchen, dem spartanischen Schreibtisch und den unbedeutenden Bildern an der Wand.
    »Wir Notare geben uns bescheiden und genügsam«, hatte Claudio die karge Einrichtung erklärt. »Wir weisen nicht extra auf das Geld hin, das wir mit unseren hoch bezahlten Unterschriften verdienen.« In seiner Welt und der seines Vaters war alles käuflich, aber nichts etwas wert. Nicht das unbeschwerte Aufwachsen eines Kindes, nicht der Wunsch zweier Verstorbener, und meine Bitte, Matilde bei mir aufnehmen zu dürfen, natürlich auch nicht. Ihre Welt war kalt und gefühllos wie der Fußboden dieser grauenvollen Kanzlei. Ich dankte für das Getränk und lief mit einem unhöflich hingeworfenen »Buona sera!« hinaus.

    Als ich eine Stunde später in Signora Pollinis Pension auf dem Bett lag, schrieb ich eine SMS an Susa:
     
    Sie haben Matilde gestohlen.
     
    Ich hatte die Nachricht kaum abgeschickt, da klingelte es. Anruf Susa.
    Aus meinem Hals kam ein schluchzender Ton. Alles war umsonst gewesen! Da lag ich wieder, weinend, wie vor ein paar Tagen, zurück auf Los, ohne Matilde.
    »Meine kleine Itakerin, was ist passiert?«
    Ich konnte nicht sprechen, nicht atmen, nicht weiterleben.
    »Sag einfach mmmh, ich verstehe dann schon. Waren das die drei Steineklopfer, diese Maurer-Brüder? Haben die sie geholt?«
    »Mmmmh.«
    »Haben sie dich verletzt, ist Matilde etwas passiert?«
    »Mh mh.« Das bedeutete Nein.
    »Ist Phil bei dir?«
    »Mh mh.« Ich ächzte vor Anstrengung, die Tränen zurückzudrängen, tief in meiner Kehle brannte es, wenn ich nicht sofort einatmete, würde ich ersticken.
    »Warum nicht? Wo ist er? Haben sie ihn totgeschossen?«
    Bei dieser absonderlichen Vorstellung musste ich unwillkürlich auflachen, und plötzlich hatte ich wieder Luft. Es klang wie ein Husten. »Nein. Seine Freundin ist schwanger, er hat von der ganzen Sache nichts mitbekommen. Er ist heute Abend nach Deutschland geflogen.«
    »Ach du Sch... Schitte. Wieso schwängert der die?«

    Diese Frage konnte ich nicht beantworten.
    »Klar, da muss er hin, da rennt er los... Soll ich kommen?«
    »Nein!« Ich lächelte in mein Handy und wischte mir mit dem Ärmel die Nässe vom Gesicht. »Lieb von dir. Aber du musst dich doch um Timmi kümmern. Außerdem sollst du nicht deinen Job verlieren.«
    »Und ich würde da oben im Flugzeug in Schweiß und Panik ausbrechen. Aber sei’s drum, für dich fliege ich überall hin!«
    »Ich weiß, ich kenn’ dich.«
    »Du musst sie suchen, du musst alles tun, um sie wiederzubekommen. Ich weiß, dass du das schaffst. Ich schicke dir sämtliche guten Schwingungen, die ich habe.«
    »Ja.«
    Weil ich schon wieder weinte, legte ich auf. Ich sehnte mich danach, Matilde zu duschen, ihr

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