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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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sie aufzuschreiben:
    20. März
    Sie sind gekommen...
    ... ihrem Hals kann ich die blauen und roten Abdrücke sehen
    ... sinnlos, weil es zu spät ist. Sie würden ihn nur einsperren mit seinem fehlenden Finger
    Auf dem oberen Teil der dritten Seite konnte ich nur enttäuschend wenige Wörter aus den Fragmenten entschlüsseln:
    ... meine Mariuccia wird nicht auf das Lyzeum...
    Doch das letzte Drittel war eine echte Fundgrube:
    ... hat den B. heute Morgen vor der Sechs-Uhr-Messe geheiratet. In einem schwarzen Kleid von mir, sie wollte um alles in der Welt kein neues kaufen. Sie spricht nicht, jede Hoffnung ist aus ihren Augen verschwunden. Ich bete für Maria. Vielleicht helfen die Kinder, die kommen werden. Vielleicht auch nicht, das weiß nur Gott. -
    Die Kinder, die kommen werden. Eines davon war ich. Und ich hatte ihr nicht geholfen, so viel war sicher.
    Was war mit Mamma Maria passiert? Also noch mal in Ruhe eins nach dem anderen: Am 16. März springt die junge Maria noch verliebt durch Zia Pinas Haus und vergisst vor Glück, die Fenster zu putzen. Am 17. erzählt sie ihrer Tante von ihrem Verlobten, dem fleißigen Finú, der sich dann am selben Tag noch den Finger abreißt. Am 18.März, einen Tag vor dem Fest St. Giuseppe, kann die Zia nichts schreiben, weil sie vergeblich vor dem Haus wartet. Auf wen? Auf Maria! Die ist nicht abgeholt worden, eine Person
oder sie selbst ist zu spät gekommen, und dann sagt jemand der Tante, ihre Tochter sei in guten Händen... aber irgendwer, sie selbst vielleicht, glaubt nicht an eine fuitina d’amuri. Was immer das auch heißen mochte. War es Maria, die die Abdrücke am Hals hatte? Und wer hatte das getan? Finú? Niemals. Und wenn doch? Wollte man ihn deswegen einsperren? Meine Mutter ging nicht auf das Lyzeum, sondern heiratete den B., den Bellone, meinen Vater, aber warum um alles in der Welt in einem schwarzen Kleid, und so früh morgens? Fuitina ... Ich musste unbedingt wissen, was dieses Wort bedeutete. Ich warf mir ein paar Sachen über und rannte die Stufen hinunter. Signora Pollini hatte mich schon kommen hören, sie zog mich durch den Vorhang in ihre Küche, drückte mich auf einen Stuhl und goss mir einen Espresso ein. Der Fernseher lief. Sie lächelte über beide Hamsterbacken, während sie mir einen Löffel Zucker in die Tasse rührte.
    Bevor sie mich in ein Gespräch verwickeln konnte, fragte ich sie nach dem Wort, von dem ich bis vor ein paar Minuten noch nie gehört hatte.
    »Fuitina d’amuri? Wie kommst du denn jetzt darauf?«, antwortete Signora Pollini gedehnt. Auf einmal duzte sie mich. Ich zuckte mit den Schultern.
    »Nein, mein Mädchen, so etwas gibt es schon lange nicht mehr!«
    »Aber was ist das überhaupt?«
    Meine Wirtin seufzte: »Allora, die fuitina d’amuri. Die gemeinsame Flucht aus Liebe.« Sie seufzte schon wieder. »Wenn zwei junge Leute heiraten wollten und die Eltern ihre benedizione nicht gaben, brannte das Paar durch, blieb eine Nacht weg, und niemand konnte mehr etwas gegen
die Verbindung tun. Allerdings durften sie dann auch nicht mehr groß feiern, wie es sich gehörte, und die Braut trug kein weißes Kleid, denn sie war ja nicht mehr unschuldig vor Gott.«
    Ich nickte, Mamma Maria hatte in Schwarz geheiratet.
    »Manchmal wurde das junge Paar auch von den Eltern zu einer fuitina überredet, um die Kosten des Festes zu sparen. So eine Hochzeit ist ja teuer.«
    »Fuitina d’amuri...«, murmelte ich vor mich hin. »Aber irgendwer glaubte nicht an eine fuitina d’amuri.«
    »Was?« Meine Wirtin rührte in ihrem Espresso, der längst ausgetrunken war. Sie wich meinem Blick aus, sie wusste, was mit meiner Mutter geschehen war. Und sie wusste auch, dass ich es wusste. Sie direkt danach zu fragen war aber gefährlich, sie würde vermutlich alles abblocken.
    Im Fernseher sah man jetzt eine Madonnenfigur, an deren Gesicht eine bräunliche Flüssigkeit hinuntergelaufen war und jetzt wie getrocknete Colaspuren auf ihrem hölzernen Teint klebte. »Sie weinen! In ganz Italien weinen die Madonnen! Schon die dritte, und jetzt auch bei uns, im Süden, in Noto!« Signora Pollini starrte auf den Bildschirm, wo sich eine Traube schwarz gekleideter Frauen vor einem Kirchenportal drängte. »Sie wollen uns etwas sagen, die Madonnen. Die Menschen sind schlecht, das wollen sie uns sagen!«
    Ich wartete. »Es war keine fuitina d’amuri«, wiederholte ich, »es war also etwas anderes.«
    Ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, fing Signora Pollini an zu

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