Das Limonenhaus
über Vorgänge
informiert zu werden?« Keine Antwort. »Was genau suchen wir denn?«
»Die pasticceria, die Bäckerei, hinten an der Bar Aurora! Er lief durch den Salon und rief, er müsse in seine Backstube, tagelang wäre er nicht in der Backstube gewesen. Und das, während Teresa daneben stand! Er konnte vielleicht nicht mehr sagen, mehr war wahrscheinlich nicht möglich.« Sie schaute mich an, die Augen weit aufgerissen. »Das war ein Hinweis, oder? Das war ein Hinweis, und wenn nicht... dann ist sowieso alles aus. Matilde war nicht mehr in der Wohnung, und der Koffer war weg, also hat er sie vermutlich in die Backstube gebracht, anders kann ich es mir nicht erklären.«
Ich konnte mir weder das mit dem Koffer noch den Rest erklären, am wenigsten, wie ich in diese Situation hineingeraten war. Aber eines war sicher: Ich musste ganz schnell wieder heraus aus der Geschichte. Wortlos ließ ich mich von ihr durch die Straßen fahren, bis sie plötzlich »Eccolo, da ist es!« ausrief und so scharf vor einem Schaufenster bremste, dass es mich in meinem Gurt knapp bis vor die Windschutzscheibe schleuderte. Durch das Glas starrte ich auf die Auslage, in der sich monströse Pralinenschachteln und in Geschenkpapier gewickelte Schokoladeneier mit goldenen Riesenschleifen türmten. Warum Eier? Ostern war längst vorbei.
»Sie sollten uns besser nicht sehen«, flüsterte sie.
Meine Güte, wen suchten wir überhaupt, was hatte sie eigentlich vor? Nebenbei bemerkt, war es sowieso zu spät. Falls jemand da drinnen sein sollte, wären wir ihm schon längst aufgefallen, doch ich nickte bemüht gleichgültig. Lella legte den Rückwärtsgang ein und lenkte den Wagen
zurück in eine schmale Gasse, die am Ende der Straße abbog. Ungerührt stieg ich aus und hängte mir meine Fototasche um. Solange ich mit Lella unterwegs war, würde ich meine Ausrüstung nicht freiwillig aus den Händen geben, soviel hatte ich gelernt. Wir gingen auf den Laden zu. Bar Aurora - Pasticceria stand über der Tür. Lella probierte zaghaft an der Klinke. Die Tür war abgeschlossen. Sie hielt die Hände seitlich an die Augen und schaute durch die Scheibe hinein. Alles war dunkel.
»Entweder sie ist hier... oder...« Sie verzog das Gesicht, als ob sie weinen wollte, ballte die Fäuste und flüsterte ein leises: »Mach, dass sie da drin ist, ti prego!«
Ohne mich anzuschauen, lief sie am Schaufenster entlang und bog um die Ecke. Ich folgte ihr wie ein unbeteiligter Spaziergänger. Lange würde ich dieses undurchsichtige Spielchen nicht mehr mitmachen! Wir standen in einer engen Gasse, gerade breit genug für ein Auto. Rechts von uns war in die Mauer eine unscheinbare Tür eingelassen, die einen Spalt offen stand. Ich sah, wie Lella sich langsam heranschlich, einen Blick hineinwarf und weiterging. Sie drehte sich um, gab mir ein Zeichen. Dort sollten wir hinein, oder nur ich? Niemals! Doch da tauchte Lella plötzlich wieder neben mir auf, packte mich bei der Hand, und schon standen wir im Halbdunklen eines Ganges viel zu dicht beieinander. Lella zog die Tür mit dumpfem Knall hinter uns zu. Sie ließ meine Hand los, was ich kurz bedauerte, und wir tasteten uns ein Stück durch den Gang, bis wir uns in einer schwach erleuchteten Backstube befanden. Alles war leer und unbenutzt, die langen kahlen Tische aus mattem Aluminium, die hohen Rollwagen mit eingehängten Backblechen, die Öfen mit ihren kalten Fensterhöhlen aus dunklem Glas waren außer
Betrieb. Hinter einer Schwingtür hörte man Stimmen, ich unterschied eine dunkle und eine hohe feine. Es war ein Mann mit einem Kind. An der Tür zur Straße wurde mit einem Schlüssel hantiert.
»Schnell«, flüsterte Lella und stieß mich in eine dunkle Ecke zwischen zwei Öfen, bevor die Tür aufgezogen wurde und schwere Schritte den Boden erschütterten. Ich erkannte den Bodyguard aus dem Bet-Zimmer, gefolgt von einem, der ihm ähnelte, noch einen halben Kopf kleiner. Sie stampften an uns vorbei und verschwanden im anderen Raum, die Tür schwang leise vor und zurück, ich hörte kurze Sätze, die sich entfernten.
»Der Koffer«, wisperte Lella, sie zeigte auf einen rot karierten Kinderkoffer, der vor uns in der Ofennische stand. Ich verstand immer noch nichts. Was erhoffte sie sich von mir? Wahrscheinlich sollte ich ihren Beschützer spielen. Erst seitdem ich mein Gesicht von meinen langen Haaren freigelegt hatte und ich dank Brigida die richtigen Klamotten besaß, nahmen mich die Frauen wahr. Sie hatten
Weitere Kostenlose Bücher