Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
entschieden, dass ich stark und schön und mutig war. Diese Rolle hatten sie dem kleinen Philip von früher zugedacht. Und bei Brigida kamen noch ganz andere Wünsche hinzu... Unwillkürlich musste ich grinsen. Wir warten, bedeutete Lella mir jetzt mit einer Geste ihrer Hand. Nach einigen Minuten näherten sich Stimmen.
    »Pipì?!«, hörte man, »Pipì?«, sagte die Kinderstimme verwundert. Sie hatten ein Problem da drüben, so viel verstand ich. Die Schwingtür ging langsam auf, Lella krallte ihre Hand in meinen Arm. Das kleine Mädchen, das ich auf dem Kirchplatz gesehen hatte, schob sich durch die schmale Lücke, trippelte summend durch den Raum, unter einen Arm
hatte sie ein Stofftier geklemmt, verträumt strich sie mit der Hand über die Flächen der Backtische.
    »Matilde!«, wisperte Lella, die Kleine drehte sich wie ein Kreisel um sich selbst. »Schsch... Mátti!« Das Kind stürzte auf Lella zu, die sich auf den Boden gehockt hatte und sie jetzt fest im Arm hielt. Sie flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    »Wir treffen uns draußen«, wisperte sie zu mir hoch.
    »Mátti, sei pronta?« In der Tür stand der ältere Mann, den ich schon in der Wohnung gesehen hatte.
    »Kümmer dich nicht um ihn, wir hauen ab. Versuch die Tür da vorne zu blockieren, ja!?« Mit diesen hastigen Worten stand Lella auf und stieß mich mit erstaunlichem Schwung in seine Richtung, sodass ich Gelegenheit bekam, die eigentümlichen Ohren rechts und links an seinem Gesicht aus der Nähe zu betrachten. Hinter mir entfernten sich eilige Schritte. Der Mann bewegte sich nicht. Wir standen uns einfach nur gegenüber, die Sekunden vergingen, draußen auf der Gasse röhrte ein Auto vorbei. Ich lief zur der Schwingtür und stemmte meine Arme dagegen, wie Lella es gesagt hatte. Er wandte sich zu mir. In dem trüben Licht sah ich es rechts und links seiner Nasenflügel feucht glitzern, während so etwas wie ein Lächeln sein Gesicht überzog.
    Diese Sizilianer waren alle verrückt!
    Jemand donnerte von innen gegen die Tür, ich verstärkte den Druck meiner Arme, doch meine Sohlen rutschten widerstandslos über den Boden, federleicht wie eine Pappfigur schob man mich in den Raum hinein. Der Bodyguard schaute mich kaum an, sondern verpasste mir, quasi im Vorbeigehen, einen Haken an die Stirn, der mich gegen die Tische fliegen ließ. Es schepperte, ich riss meine Fototasche am Riemen hoch und dann rannte ich nur noch. Ich stürzte
aus dem Dunklen ans Tageslicht, jagte um die Ecken, rechts herum, links, egal in welche Gasse, egal wohin, nur weg. Hinter mir Schritte, sie waren zu zweit oder zu dritt. Ich rannte fast eine Frau um, die aus ihrer Wohnung trat und sich vor Schreck an den Hals griff. Mit drei Sekunden Verspätung keifte sie hinter mir her. Das Auto war nicht mehr da, Lella auch nicht, ich würde sie nie wiedersehen. Nebensache, wenn ich das hier nur überleben würde! Ich stürmte eine Gasse hinunter, auf eine breitere Straße zu, ich sah viele Autos und hohe Mauern, ein Gefängnis oder ein Stadion vielleicht. Hauptsache Menschen in der Nähe, die mich vor diesen Wilden hinter mir retten konnten. In diesem Moment erkannte ich Lella in dem silbernen Fiat Punto. Sie bremste scharf und gab wieder Gas, noch ehe ich die Autotür zugeschlagen hatte. Keuchend tupfte ich mit der Handfläche an meine Augenbraue, die heftig pochend schmerzte. Blut! Eine Menge Blut tropfte an meinem Gesicht herunter.
    »Was ist passiert, haben sie dich geschlagen?«
    Ich wollte schreien, meine Hände zitterten vor unterdrückter Wut, doch ich riss mich zusammen und schaute durch das Rückfenster, konnte aber nur Autos sehen. Ich hatte Angst gehabt, das erste Mal in meinem Leben richtige Angst. Ich hielt mich an dem Griff über der Tür fest.
    »Ciao, nonno«, sagte das Kind auf der Rückbank. Lella legte viel zu früh die Gänge ein und sah unablässig in den Rückspiegel.
    »Ich habe es doch gewusst! Wenn er sie irgendwo hinbringen würde, würde es die Backstube sein«, rief sie, wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und schniefte kurz. Ich schüttelte den Kopf und tupfte weiter an meiner rechten
Augenbraue herum. Lella schaute kurz auf meine blutigen Fingerspitzen, erstaunt, als ob sie gerade erst bemerkt hätte, dass ich überhaupt anwesend war. Sie nahm einem Rollerfahrer die Vorfahrt und reichte mir währenddessen von irgendwo ein Papiertaschentuch. »Pass doch auf!«, rief ich und unterdrückte gerade noch ein »Danke schön«.
    »Cavolo, da sind sie, sie sind

Weitere Kostenlose Bücher