Das Limonenhaus
eine Wohnung und ließ mich dort zwischen Trauerfiguren allein, um ein Kind zu suchen, das sie dann später aus einer stillgelegten Backstube mitnahm, obwohl einige Leute ganz entschieden etwas dagegen einzuwenden hatten. Sie sollte bloß nicht glauben, dass ich mir das gefallen lassen würde! Ich wollte schon den Mund öffnen, als sich der Gedanke von vorhin ein weiteres Mal seinen Weg bahnte: Es ist nicht nötig, ihr etwas vorzuspielen, bei ihr kannst du so feige und missgelaunt sein, wie du wirklich bist...
»Ich hatte Angst um dich, als du nicht kamst«, sagte Lella leise.
Angst? Ich zuckte nur mit den Schultern. Mein Pulsschlag war schon vor dem alten Mann in die Höhe geschossen, aber dann, als der massige Kerl mich so mühelos mitsamt der Tür beiseiteschob, raste er richtig los, und ich wäre fast von alleine umgekippt. Meine Knöchel wurden weiß, als sie sich um das Lenkrad schlossen, und die Wut schnitt mir die Luftzufuhr ab. Eines Tages würde ich auch keine Fragen mehr stellen, kein Verständnis vortäuschen, ich würde trocken zuschlagen und die Reaktion meines Opfers mit keinem Blick würdigen.
»Was hat er gemacht, als wir da herausgerannt sind?«, fragte Lella einige Kilometer später, während derer ich noch drei weitere Schläger in meiner Fantasie unschädlich gemacht und mich dadurch etwas beruhigt hatte.
»Wer?«
»Na der nonno, der alte Mann.«
»Er hat sich nicht gerührt, nur so vor sich hin gelächelt.«
»Das hatte ich gehofft.«
»Er weinte dabei.«
Lella drehte sich zu Matilde um und streichelte ihr über die dünnen Beine, die in roten Strumpfhosen steckten. »Willst du etwas essen, Matilde, una banana?«
»Si, grazie«, kam die Antwort gut erzogen von hinten. Keine Aufregung, alles war wie üblich. Dort hinten wurden jetzt erst mal Bananen verspeist! Die Machtlosigkeit aus dem Dunklen der Backstube stieg erneut in mir auf.
»Ja, während der alte Mann nicht wusste, ob er lachen
oder weinen sollte, habe ich... hat dieser Koloss mir dann, ohne irgendwas zu sagen... Ach, ist ja egal!« Ich haute mit einer Hand auf das Lenkrad.
»Nein, nichts ist egal.« Lella beugte sich zwischen den Vordersitzen hindurch und wühlte auf der Rückbank in einer Korbtasche. Ihre Beine verdrehten sich, dicht neben mir zeichneten sich die Oberschenkel schlanker unter dem feinen schwarzen Stoff der Hose ab, als ich es mir heute Morgen im Hotelzimmer vorgestellt hatte. Lella zog sich wieder nach vorne auf ihren Sitz, sie kam meinem Ohr dabei sehr nahe: »Danke dafür.« Ihr Flüstern rann mir in lustvollen Schaudern den Nacken entlang, und der Kapuziner, o bitte nicht, der erwachsen gewordene Kapuziner richtete sich sofort in meiner Hose auf.
»Hej, ein Ständer auf freier Strecke, super!«, würde Brigida jetzt sagen, vorausgesetzt, sie wäre die Verursacherin desselben. Super?
Ich gab Gas, und trotzdem wurden wir langsamer, obwohl ich das Pedal mit meinem Fuß ganz durchdrückte und der Tank laut Anzeige noch halb voll war. Ich pumpte hektisch. Bitte nicht das jetzt auch noch! Ich lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen, trat noch ein paar Mal, doch der Motor erstarb gleichzeitig mit meiner Erektion. Lautlos rollte der Wagen dahin, bis wir standen.
»Was ist los, haben wir kein Sprit mehr?« Lella schaute sich nervös um.
»Doch, am Benzin liegt es nicht, oder die Anzeige ist kaputt.« Ich probierte die Zündung, kein Laut, gar nichts. Das sah nach einem ernsten Schaden aus. »Wo kommt der Wagen eigentlich her?«, fragte ich Lella.
»Ist ein Leihwagen.«
»Gut, schon verstanden, ich nahm auch nicht an, du könntest ihn gestohlen haben. Welche Firma?«
»Firma Mario.«
»Wer ist Mario?«
»Der Taxifahrer - dein Taxifahrer von gestern.«
»Wieso leihst du dir von diesem Verbrecher ein Auto? Und nun?«
»Ist mir doch egal, soll er ihn hier abholen«, rief sie. »Ich hab jetzt für so einen Mist keine Zeit, wir müssen weiter!«
Plötzlich wechselte sie den Ton. Fröhlich redete sie auf Matilde ein, stieg aus, öffnete die hintere Tür und streichelte dem kleinen Mädchen mit beiden Händen über die Wangen.
»Sie ist müde. Kannst du bitte einen Wagen anhalten, möglichst schnell und nicht den falschen, bitte.« Sie versuchte ein Lächeln. Es waren nicht viele Autos unterwegs, nur vereinzelt rauschten die Wagen viel zu dicht an uns vorbei.
Ich nickte und winkte dem nächsten Auto, das zu meiner Verblüffung auch sofort hielt.
Brigida, begann ich in Gedanken, Brigida, du kannst dir
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