Das Loch in der Schwarte
galten, Hacker verurteilt wurden. Der Rechner des Hackers wurde zermahlen, wie es üblich war, doch kurz vorher stahl ein Recyclingarbeiter die Festplatte und verkaufte sie an einen frisch examinierten Literaturwissenschaftler namens Tudor. Der Recyclingarbeiter wurde später festgenommen wegen Unterschlagung und nach dem gleichen fundamentalistischen Gesetz zum Tode verurteilt, wobei ihm der Harnleiter zugebunden wurde, bis die Blase im Bauch platzte. Tudor dagegen öffnete die Azepidatei, entdeckte die Abschriften der Schiefertafeln, rettete sie für die Nachwelt und wurde später ein weltberühmter Professor und gefragter Gastredner. Nicht besonders gerecht, wie es einem erscheinen mag.
Die Azepischriften konnten Jahrtausende hindurch nicht dechiffriert werden. Die Zeichen basierten auf einem Wirrwarr von Einkerbungen und ebensolchen Häufchen dahingeworfener Nägelchen. Man vermutete, dass sie Lebensschilderungen der Beerdigten enthielten, kurze Notizen darüber, was sie vollbracht hatten, und vielleicht noch etwas über die Angehörigen, die den Stein errichtet hatten. Man sah sich vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Niemand kannte mehr die Originalsprache, die Lebensweise der Azepier, ihren Lebensraum oder auch nur ihr Klima, da ihre gesamte Welt in winzigkleine Miniatome zersprengt worden war.
Ein paar tausend Jahre nach Tudors Epoche machender Entdeckung landete ein kleines, beschädigtes Raumschiffchen bei einem Schrotthändlermarkt auf dem Recyclingplaneten Ura, in einem ganz anderen Teil der Galaxie. Die Besatzung lief herum und suchte nach Ersatzteilen, als Steuermann Jaqueline Sande plötzlich einen Stand entdeckte, an dem man große, mit merkwürdigen Meißelspuren versehene Steinplatten verkaufte. Sofort erkannte sie die Schrift als Azepitext. Seit mehreren Jahren hatte Jaqueline die populärwissenschaftliche Zeitschrift »Gut zu wissen« abonniert, und in einer der letzten Nummern hatte sie einen ausführlichen Artikel über das ungelöste Schrifträtsel gelesen.
Jaqueline Sande drehte aufgeregt die Steinplatte um und fand zu ihrem Erstaunen auf der Rückseite einen ganz anderen Text. Er erinnerte stark an Altfornisch. Sie kaufte nur einen der Steine, ein größeres Gewicht würde das vollbeladene Schiffchen nicht tragen können. Dann konnte sie das Fahrzeug reparieren lassen und zum Mutterplaneten zurückkehren.
Es stellte sich heraus, dass Jaqueline über eine der größten archäologischen Sensationen in der Geschichte gestolpert war. Die Altersanalyse zeigte, dass der Stein der älteste war, der je im Universum gefunden wurde. Der Text auf der Rückseite war ganz richtig Altfornisch, eine Sprache, die zu deuten bereits früher gelungen war. Man nahm an, dass es sich um eine wörtliche Übersetzung des archaischen Textes auf der gegenüberliegenden Seite handelte. Endlich hatte man seinen Rosetta-Stein gefunden, den notwendigen Zugang, der bisher gefehlt hatte. Zum ersten Mal konnte man in mühevoller Kleinarbeit anfangen, die allerältesten noch existierenden Inschriften der Weltgeschichte zu entschlüsseln.
Doch was stand nun dort?
Du wirst es nicht glauben.
Umgehend wurde eine Expedition zurück zum Schrotthändlermarkt geschickt auf der Suche nach weiteren Resten von Steinplatten. Es stellte sich heraus, dass sie gerade eben an ein Einkaufszentrum verkauft worden waren, wo sie als Bürgersteigbelag verwendet werden sollten, und man war gezwungen einzusehen, dass mehr als die Hälfte der Platten bereits in der Steinmühle zerkleinert worden war. Aber nach zähen Verhandlungen gelang es, die übrigen Platten zu kaufen, dem Verkäufer war klar geworden, dass er auf einer Goldader saß, und dementsprechend waren die Preise. Schließlich konnte man die Platten in den Transporter verfrachten und fand zum allgemeinen Erstaunen heraus, dass alle eine altfornische Übersetzung auf der Rückseite aufwiesen.
Aber was stand nun dort? War es etwas Religiöses?
Nix da.
Die Forscher machten sich sogleich daran, das Altfornische zu übersetzen. Die ersten Interpretationen wurden jedoch in Zweifel gezogen. Also fing man wieder von vorne an. Drehte und wendete jedes einzelne Wort. Verglich immer wieder Altfornisch und Azepisch. Analysierte die Keilspuren bis in die einzelnen Silben hinein.
Schließlich herrschte kein Zweifel mehr. Die Experten waren sich einig. Man hatte den Code geknackt, man hatte Licht ins Dunkel gebracht, endlich konnte man die allerältesten, ursprünglichsten Texte des
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