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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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entdeckt und verfeinert werden, damit die Datenkommunikation blitzschnell auch auf hunderttausend Lichtjahre Abstand ausgeführt werden konnte. Langsam konnte einer nach dem anderen sich ankoppeln. Stück für Stück wurde das weiter wachsende Gewebe immer größer, Inseln wuchsen mit anderen Inseln zusammen, Flecken breiteten sich aus und verzweigten sich, sich windende Arme schossen tastend hervor und fanden in der Dunkelheit suchende Tentakel, Blutkreisläufe wurden miteinander verkoppelt, und bald konnte dieser unförmige Riese anfangen zu pulsieren und zu leben.
    Das Gaganet, das ist schlicht und ergreifend das Internet des Universums. In ihm befinden sich die gesamte Klugheit und der gesamte Wahnsinn des Weltalls, und als es gelungen war, Suchmaschinen für dieses mastodontische, Schwindel erregende, Übelkeit erweckende Riesennetz zu entwickeln, da konnte jeder, der wollte, immer, wenn er wollte, auf wirklich jede Frage eine Antwort bekommen.
    (Wie immer wurde das Projekt zunächst von unrealistischen Erwartungen umgeben. Endlich sollte auch das kleinste Individuum die Möglichkeit haben, sich zu bilden, seine Interessen zu entwickeln, sich zu verfeinern. Das Gaganet sollte zu einer wachsenden Demokratie führen, die Fremdenfeindlichkeit verringern und zu einem größeren Verständnis zwischen den Völkern und Kulturen verhelfen. Bis zum heutigen Tag hat das Gaganet gut zwei Millionen Kriege verursacht, ungefähr vierzig Millionen Aufstände und Revolutionen und zu mehr als fünfhundert neuen Varianten des Wortes Kanacke geführt.)
    Mit der Zeit bildeten sich universelle Interessenverbände und Chatseiten für buchstäblich alles zwischen Himmel und Erde. Wie außergewöhnlich du auch sein mochtest, es gab immer irgendwo in irgendeinem anderen Sonnensystem einen Seelenverwandten. Es entstanden Zusammenschlüsse für sprachinteressierte Serviceroboter, für Quallen mit Borderlinesyndrom, hautempfindliche kriminelle Giftschlangen oder zweibeinige Säugetiere humanoiden Charakters, die Datasex via ankoppelbarem Fernmasturbators haben wollten, wobei der Gegenpart auf einer digitalen Klitoris herumklicken konnte.
    Nicht zuletzt wurden Texte ins Netz gestellt. Artikel, Schulaufsätze, Propaganda, Pamphlete, alles, was man sich denken kann. Das betraf auch die Belletristik. Poesie blühte in allen lebendigen Planetensystemen. Novellen und Romane wurden digitalisiert und in Millionen von Galaxiebibliotheken heruntergeladen, jede Einzelne davon mit einem Bestand von Zehntausenden von Titeln, alles von zeitgenössischer stiefelmodernistischer Punkprosa bis hin zur andromedagalaktischen Runenmagie.
    Und über das Gaganet gelang es auch, die allerältesten Schriften des Universums wiederzufinden. Es stellte sich heraus, dass sie aus der schon vor langer Zeit ausgelöschten Azepikultur stammten und aus kurzen Mitteilungen bestanden, die auf Schieferplatten in den mongolesischen Grabkammern eingemeißelt worden waren, zwölf Milliarden Jahre vor Homer, in der ersten kondensierten Ecke des Weltraums nach dem Big Bang. Die Texte existieren leider nicht mehr im Original. Der ganze Planetenhaufen, auf dem sie geschaffen wurden, wurde später von einer Supernova vernichtet, doch vorher gelang es einem lokalen Archäologen, eine umfassende Abschrift sämtlicher Grabinschriften anzufertigen. Diese Abschriften gibt es leider auch nicht mehr im Original, sie wurden von der gleichen zerstörerischen Supernova vernichtet, die wirklich einen verdammt lauten Knall verursachte. Aber glücklicherweise war diese Abschrift auf Laminatrollen übertragen worden, und zwar von lebenslänglich Gefangenen im Rahmen ihrer Zwangsarbeit auf einem Gefängnisplaneten. Die Laminatrollen gibt es leider auch nicht mehr im Original, da sie bei dem blutigsten Gefangenenaufstand, den man bis dato erlebt hatte, als Waffen benutzt wurden, aber glücklicherweise waren sie vorher von einem Gefängniswächterpraktikanten auf den Zentralrechner eingescannt worden. Den Zentralrechner gibt es auch nicht mehr, weil er unglücklicherweise bei dem Aufstand in Flammen aufging. Doch zum Glück war ein Hacker in ihm gewesen und hatte die ganze Datei zu sich heruntergeladen in dem Glauben, es handele sich um ein ungewöhnliches Computer
    spiel. Der Hacker starb zwar durch die Folter, indem er langsam an seinen eigenen Rotzklumpen erstickte, eine äußerst komplizierte Hinrichtungsform, zu der nach den fundamentalistischen drastischen Strafgesetzen, die in der Vorzeit

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