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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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vorsichtig zu Anfang des Kapitels andeutete? Was ist das Größte von allem? Das Universum, sagte ich, nicht wahr? Und das Zweitgrößte von allem ist das Gaganet. Und auf den dritten Platz kommt die Gottheit, und auf den vierten die dunkle Materie, und auf den fünften kommt die Gottheit und auf den sechsten auch, und dann kommen jede Menge anderer Dinge wie die kosmische Strahlung, das schwarze Loch im Zentrum des Universums, Wasserstoff und Helium und eine Unmenge anderer Grundstoffe, und danach kommt der Teufel, und danach kommt seine Großmutter.
    Auf der jüngsten Liste landete die Sprache auf dem achtundneunzigsten Platz. Lies das noch einmal genau. Auf dem achtundneunzigsten Platz, direkt vor dem Strontium.
    Alles, wirklich alles im Universum war also bereits geschrieben. Guttorm Loll hörte auf mit der Poesie und musste hilflos zusehen, wie Andrea von dem frechen, lauten Sportlehrer mit seinen Taekwondo-Tätowierungen umworben wurde.
    Desillusioniert schrieb Guttorm einen Leserbrief über seine Entdeckung an die Lehrerzeitung und wies außerdem deprimiert darauf hin, dass sicher alle Leserbriefe bereits einmal an vielen anderen Stellen des Kosmos geschrieben worden waren. (Womit er vollkommen Recht hatte.) Die Reaktion war schokkierend. Umgehend saßen Sprachforscher überall auf der Welt an ihren Rechnern und wiederholten Guttorms Experiment und konnten anschließend seine Beobachtungen nur bestätigen. Die Sprache war erschöpft.
    Das wurde zum tödlichen Schlag für alle Schriftsteller. Die meisten hörten sofort auf mit dem Schreiben, als die Sache bewiesen worden war, es hatte irgendwie keinen Sinn mehr. Andere machten noch eine Weile weiter, stellten aber fest, dass sie kein Urheberrecht mehr erhalten konnten. Es gab ja bereits jedes Buch dort draußen, irgendwo in dem unendlichen schwarzen Ozean, wo die Galaxien wie Planktonpünktchen funkelten. Es war einfach niederschmetternd, Jahrzehnte dagesessen und an seinem zukünftigen Meisterwerk geschrieben zu haben, um dann im Gaganet zu klicken und herauszufinden, dass der Roman bereits vor vier Millionen Jahren in der Nachbargalaxie publiziert worden war. Das gesamte Werk Homers existierte bereits unter anderem auf dem Seefahrerplaneten in der Galaxie Nitin, mit allem Drum und Dran vom Trojanischen Pferd über die Zyklopen bis hin zu den Sirenen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Hauptperson dort Odynisiviassavus hieß. Aber in ihrer Sprache wurde das Odysseus ausgesprochen.
    Natürlich kam es zur Krise. Die Arbeitslosigkeit stieg wolkenkratzerhoch unter den Kulturarbeitern. Plötzlich gab es jede Menge kreativer Sonderlinge, die keinen Auslauf mehr für ihre Energie fanden. Es kam zu vielen unerfreulichen Scheidungen. Kindern ging es schlecht. Depressionen, Suchtprobleme und Schlafstörungen.
    Dann gelang es jemandem zu beweisen, dass es doch noch Poesie gab, die bisher nicht geschrieben worden war. Sie bestand jedoch nicht mehr aus sinnvollen Worten, da alle derartigen Kombinationen bereits benutzt worden waren. Aber gewisse extreme Buchstabenkombinationen waren noch unbenutzt, insbesondere Qgff. Einige Autoren begannen Qgff-Poesie zu verfassen:
    Qgffaih Qgffppluug
    Qgff35
    Qgffalliu
    Und so weiter. Doch damit erreichte man nie ein größeres Publikum, und nach einigen Gedichtsammlungen, die im Eigenverlag herausgegeben wurden, wurde dieses Projekt wieder beendet.
    Aber das riesige Leseinteresse auf der Erde existierte ja weiterhin. Und jede Menge arbeitsloser Schriftsteller. Also begannen die Autoren ganz einfach zu surfen, statt selbst zu schreiben. Sie suchten nach Teilen, die ihnen gefielen, Textfragmenten aus Nah und Fern, Strophen, Seiten, halben Kapiteln, die sie am Bildschirm schnitten und zusammenfügten. Schließlich kam dabei ein merkwürdiges Textpuzzle heraus, das sie als einen Roman unter ihrem eigenen Namen publizierten. Alle wussten ja, dass man sich alles zusammengeklaut hatte, aber man nannte es einfach Postmodernismus, und damit war es plötzlich in Ordnung. Viele Schriftsteller wurden unglaublich geschickt darin, Gesuchtes im Netz zu finden, und erhielten so einen literarischen Überblick, der imponierend war. Sie wussten, wo es die Leckerbissen gab. Welche epischen Epochen in welchen Galaxiehaufen es wert waren, ihren Niederschlag zu finden. Welche Server die besten Buchkataloge hatten. Welche der Übersetzungsmaschinen die neuesten waren.
    Der Postmodernismus funktionierte nur kurze Zeit.
    Er verstarb wie alles, was

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