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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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in einem Loch verschwand. In kürzester Zeit war sie verschlungen worden. Ich spürte einen Schrecken, als hätte ich einen Freund im Stich gelassen. Ein Impuls ergriff mich: Ich wollte mit den Fingern graben, in den Tannennadeln zwischen all den Ameisenkörpern suchen, dem brennenden Schmerz widerstehen, bis ich die Tablette gefunden hätte. Auf kindliche Art und Weise gab ich ihr Leben und eine Seele, sie fühlte sich so einsam. Sie wollte wieder nach Hause, letzt mache ich meine erste Bewegung in der Koje. Drehe den Kopf, als wollte ich mich aus dem Verrat herauswinden. Aus den Schuldgefühlen.
    Ich bin eine Tulo, denke ich. Jemand hat mich im Stich gelassen.
    Genau in dem Moment beginnen die Vögel zu zwitschern. Fuuui-fui-fui-fui-fuirrrrr, eine zwitschernde Tonkaskade über dem Flussufer. Der Torne älv mitten im Mai, kurz nachdem sich das Eis gelöst hat. Dieser metallische, leicht rostige Duft nach geschmolzenem Schnee, verrottendem Vorjahresgras, abendlichem Rauch aus einer Sauna.
    »Abstellen«, murmle ich.
    Es kommt Leben in den Androiden in der Ecke,
    wo er zum Aufladen stand. Mit einem Dimmer werden die Tageslichtlampen entzündet, nach und nach, wie bei einem Sonnenaufgang. Die Brachvögel verklingen, verschwinden über den Fluss hinweg nach Autiohåll hin. Ich wickle mich aus den Schlaflaken mit ihrer selbstreinigenden Wattierung, die mich perfekt temperieren und trocken halten und eine nächtliche Kontrolle meiner Hautzellen durchführen, während ich schlafe. Sie sind so voll gestopft mit Mikrosensoren, dass sie eine Krebszelle entdecken können, selbst wenn sie unterm Zehennagel sitzt. Aus der Elektrogarderobe holt der Android meine ebenso gereinigte Wurstpelle. So nennen wir sie, die Kleidung der Besatzung aus Laminatfibern.
    Man kann zwischen gut vierhunderttausend Wecksignalen wählen. Viele ziehen genau wie ich Vogellaute vor. Säugetiere sind auch beliebt, das Maunzen einer Katze, die morgens gestreichelt werden möchte, das Muhen von Kühen auf der Weide oder auch ein protziger, Klauen spreizender Auerhahn. Andere bevorzugen Musik, vielleicht die d-Moll-Fuge von Bach in der Sensurroundeinspielung von der Orgel im Kölner Dom. Oder Bob Dylan live auf dem Isleof-Wight-Festival 1969. Wer etwas abenteuerlicher veranlagt ist, kann auch den Zufallsgenerator wählen. Dann kann man von tropfenden Stalaktiten geweckt werden, von Kastrationsschreien von Spanferkeln, chinesischen Halsreinigungsritualen, einem Volltreffer beim Bowling, den Schusssalven aus Steinschlossgewehren oder dem Knacken, wenn ein tschechischer Unteroffizier seinen Eckzahn zerbeißt.
    Ich verlasse meine kleine Schlafkabine und höre die Bestätigung des Androiden, dass sie verschlossen ist:
    »Die Tür ist verschlossen, du Idiot, ich wünsche dir einen Superarschleckertag! «
    Ich habe ihn auf Humor eingestellt. Offensichtlich muss ich das Niveau etwas anheben.
    Hinter mir in der Kabine erhebt sich ein Flüstern, als sich Tausende von Nanorobotern aus den Fußbodenporen emporzwängen. Auf kleinen, trippelnden Fiberfüßen suchen sie nach Hautschuppen, Staubkörnern, Viren und möglichen Haaren, die mein Körper hinterlassen haben könnte. Alles wird durch den Zentralsauger zum Schiffskompost transportiert. Ich selbst klettre zur Kantine hoch. Ich grüße meine Schichtkumpanen, die, frisch erwacht, noch mit Kopfkissenabdrücken im Gesicht, dasitzen und ihr Frühstück kauen. Ein neuer Tag im Job. Wieder eine Roaderschicht. Wieder klimpert ein wenig aufs Lohnkonto, und dazu ein blaues, dunkles Montagsgefühl. Der Blues erfasst mich, dieser ungesunde, blasse Lebensüberdruss. Noch ein Tag, noch eine Woche, die auf die anderen zu stapeln ist. Die Hand, die wieder einmal den Vitamindrink an die Lippen führt, die mechanischen, trägen Schluckbewegungen. Dieser Knoten aus Venen und Arterien, der Herz genannt wird. Da-dumm, da-dumm. Warum? Was ist eigentlich der Sinn unseres Lebens?
    »Der Sinn?«
    »Ja, genau, der Sinn.«
    »Des Lebens?«
    »Ja, wovon denn sonst?«
    »Deines eigenen Lebens?«
    »Ja, meines eigenen Lebens.«
    »Oder des Lebens anderer?«
    »Na, das natürlich auch!«
    »Des Lebens an sich sozusagen, des Lebens als solches, des Lebens, das man lebt, wenn man lebt?«
    »Jaaaahhh!« (Seufz)
    »Da würde ich sagen… ja, entschuldige, dass ich das so rundheraus sage, es ist keineswegs böse gemeint, sondern nur so ein Gedanke … eine kleine Reflexion im großen Allgemeinen …«
    »Zur Sache!«
    »Da würde ich also sagen,

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