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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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war richtig glücklich, da sie alles tat, worum er sie bat. Sie war kurz gesagt ein vollkommen überzeugender Mensch gewesen. Sie konnte selbstständig denken, hatte eine DNA, sie lebte ihr Leben nach ethischen Werten, sie konnte sogar schwanger werden. Es stellte sich heraus, dass die Missbildung des Kindes darauf beruhte, dass sie selbst einmal geklont worden war, aber hätten die Gynäkologen einfach direkt bei der Geburt einen Androidencomputer in den Kinderschädel operiert, dann hätte es vermutlich überlebt und wäre ein ganz normales Androidenkind geworden. Derartige Versuche wurden ja später auch erfolgreich ausgeführt – nach umfassenden ethischen Diskussionen.
    Die bluffenden Androiden wurden mit der Zeit immer zahlreicher. Zum Schluss waren die Behörden gezwungen zu reagieren. Unter anderem verursachten die Neuankömmlinge viele Probleme bei der Bevölkerungsregistrierung. Viele verschafften sich menschliche Personenkennziffern, mehreren gelang es, ein Kind zu adoptieren, und nach einem langen Leben konnten sie eine Alterspension einfordern. Vermutlich wurden einige gar nicht entdeckt, sondern liegen überall auf der Welt in irgendwelchen Familiengräbern herum. Geliebt und vermisst, ohne dass die Angehörigen die Wahrheit auch nur ahnten.
    Man war gezwungen, eine Androidenbehörde einzurichten. Es wurde eine Art Mischung aus Einwandererhilfe, Immigrationsbehörde und Sicherheitspolizei. Beamte wurden eingestellt, die Verwaltung begann Richtlinien für den Aufgabenbereich aufzustellen. Und zuallererst bildete man Androidenspione aus. Sie wurden vielfach unter alten Polizisten oder Versicherungsfachleuten rekrutiert, die es gewohnt waren, Lügner und Betrüger zu entlarven. Ein Bürgertelefon wurde eingerichtet, und man startete eine Annoncenkampagne, in der man um die Hilfe der Allgemeinheit bat.
    Innerhalb kürzester Zeit kamen die Anrufe. Bald prasselten die Tipps herein, und Spione wurden ausgesandt, um die verdächtigen Androiden zu untersuchen. Man beschattete sie, machte Interviews mit Freunden und Nachbarn und verfolgte die Personenangaben so weit zurück, wie man nur konnte. Danach stellte sich heraus, dass sämtliche so genannten »Androiden« richtige Menschen waren. Ein Teil waren Obdachlose, andere drogenabhängig oder entwicklungsgestört, einige waren vom Burn-out-Syndrom befallen oder standen unter starkem Stress. Aber nichtsdestotrotz waren sie Menschen. Die Spione mussten einsehen, dass die falschen Hinweise auf alten Science-Fiction-Filmen beruhten. Der große Detektiv Allgemeinheit hatte ein vollkommen verzerrtes
    Bild von Robotern, wie man sie immer noch gern nannte. Sie glaubten, dass diese sich ein wenig mechanisch bewegten, einen starren Gesichtsausdruck mit glasigem Blick und eine metallische Stimme hatten, was auf gewisse Menschen mit Schizophrenie oder schweren Depressionen zutreffen konnte, aber nie auf Androiden.
    Die Verwaltung startete daraufhin eine neue Informationskampagne mit Anzeigen in Zeitschriften und im Fernsehen. Das Besondere an Androiden war ja gerade, dass sie nicht zu bemerken waren, wurde erklärt. Sie konnten sich überall anpassen. Meistens hielten sie sich im Hintergrund, stimmten gern den Meinungen anderer zu, vermieden Streit oder Konflikte und hängten ihr Mäntelchen gern nach dem Wind.
    Und wieder begannen die Telefone zu klingeln. Dieses Mal betrafen die Tipps vielfach irgendwelche Nachbarn, die nie im Treppenhaus grüßten, schüchterne Junggesellen, freundliche Gemeindehelfer, willfährige Frührentner und wortkarge Arbeitskollegen, die schweigend in der Kaffeepause dabeisaßen und immer zu allem Ja und Amen sagten.
    Aber auch diese erwiesen sich fast ausschließlich als Menschen.
    Man versuchte es auf anderen Wegen. Durch die Androiden selbst. Mit Tiefeninterviews sollten sie entlarvt werden, so wollte man ihren Motiven auf die
    Spur kommen. Schließlich hatten sie doch ein angenehmes Dasein als Android, man kümmerte sich um sie, sie wurden versorgt, in gewissen Fällen sogar geliebt. Warum hatten sie sich trotzdem dazu entschieden, Menschen zu werden?
    Sie konnten keine Antwort darauf geben. Vielleicht lag es an der Macht.
    »Besitzt du denn Macht?«
    »Ein Mensch hat mehr Macht als ein Android. Ein Android ist geschaffen, um zu gehorchen. Zur Verfügung zu stehen.«
    »Findest du es anstrengend, zu gehorchen?«
    »Nein, das ist nichts, worunter man direkt leidet, ganz und gar nicht. Aber wenn man die Menschen sieht, dann sind sie so … so

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