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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Sozialdemokraten, Tierfreunde, und bald artete das Ganze in eine Art Mode aus. Plötzlich konnte man überall Pseudotattoos kaufen, die man sich ans Ohr kleben konnte. Ein Androide für einen Tag. Und innerhalb eines Jahres war das gesamte Androidenmarkierungssystem zusammengebrochen.
    Was sollte man jetzt tun? Aufgeben? Der Vermischung der Rassen ihren Lauf lassen? Mensch-Maschinenehen, Maschinen-Menschenabkommen, bis alles zusammenfloss zu einem kybernetischen Mischmasch?
    Aus lauter Verzweiflung wandten sich die Behörden an die Androiden selbst. Bitte helft uns! Ihr dürft ja unter uns leben, in Frieden und Freiheit. Wenn ihr nur offen zeigt, wer ihr seid!
    Die Androiden kamen auf allen Kontinenten zusammen. Sie hielten Seminare ab, diskutierten und überlegten. Ihnen war klar, dass das eine ungemein heikle Sache für die Menschheit war. Schlimmstenfalls konnte es zum Krieg führen. Einem Rassenkrieg, dem letzten von vielen in der blutigen Geschichte der Erde. Und es war von vornherein klar, dass die Menschen ihn verlieren und ausgerottet werden würden, was bei einer so merkwürdigen und zerbrechlichen Art doch wirklich schade wäre.
    Eine Umfrage wurde durchgeführt. Ein Beschluss gefasst. Die Androiden ließen sich auf die Forderung ein, sie würden sich freiwillig zu ihrer Art bekennen. Sie würden offen zeigen, dass sie Androiden waren. Aber wie sollte das zugehen?
    Am nächsten Morgen begannen alle Androiden der Welt sich ein wenig mechanisch zu bewegen. Ihr Gesichtsausdruck erstarrte, die Augen wurden gläsern, und sie fingen an, mit metallischer Stimme zu sprechen. Es war das reinste Theater, ein weltumfassender schlechter Schauspielertrick. Die Androiden fingen ganz einfach an, sich selbst zu spielen.
    Und auf der ganzen Erde hörte man, wie die Menschen einen Seufzer der Erleichterung ausstießen. Roboter! Gute, alte Roboter! Man konnte sich in seinem Dasein wieder auskennen. Die Welt wurde zu einem Film. Einem alten, billigen, plumpen, aber ach so vertrauten Science-Fiction-Streifen.
    Und auf diese Art und Weise löste man das Problem der Integration. Die Androiden durften weiter mitten unter uns leben, sie durften in eigenen Wohnungen wohnen, einen Job und eine Personenkennziffer haben, und sie durften Steuern zahlen, Ehen mit Menschen schließen und sogar Kinder adoptieren, solange eines der Elternteile ein Mensch war. Unter der Bedingung, dass sie sich ein bisschen spastisch verhielten. Nur innerhalb der eigenen vier Wände konnten sie die Rolle fallen lassen, aufhören, mit den Fingern zu fummeln, und mit normaler Menschenstimme reden. Nur draußen, in allen öffentlichen Bereichen, mussten sie deutlich zeigen, wer sie waren. Immer noch versuchten manche Androiden zu bluffen und so zu tun, als seien sie Menschen, aber da ihr Anteil stetig sank, waren es immer weniger, die zerstört werden mussten.
    Es zeigte sich, dass Androiden sich am besten für Berufe eigneten, bei denen Geduld und Sorgfalt gefragt waren. Sie konnten stundenlang an Überwachungsbildschirmen sitzen, am Fließband stehen und arbeiten, einen Shuttlezug fahren, korrekturlesen oder Hotelzimmer putzen, ohne jemals zu pfuschen oder ungeduldig zu werden. Überraschender war es, dass sie auch ausgezeichnet als Psychologen funktionierten, sie nahmen nachdenklich ihre Brille ab und lutschten mit ernster Miene am Bügel. Auf dem Besuchersessel saß ein zusammengebrochener Mensch, von Ängsten geschüttelt:
    »Am liebsten würde ich sterben.«
    Der Psychologe hört auf zu lutschen.
    »Wie bitte?«
    »Der Tod. Kommt als Befreier.«
    »Mhm, mm … Hast du Befreier gesagt?«
    »Einfach verlöschen. Ins Dunkel hinübergleiten.«
    »Also, das habe ich bei euch Menschen nie verstanden, dass ihr so oft vom Tod labert.«
    »Aber ich sehe einfach keinen Sinn.«
    »Worin?«
    »Na, einen Sinn im Leben natürlich.«
    »Muss es da einen Sinn geben?«, fragt der Psychologe mit gerunzelter Stirn.
    »Ja.«
    »Versuch doch einfach, drauf zu scheißen. Stell dir stattdessen vor, du wärst eine Maschine.«
    »Eine Maschine?«
    »Wie du weißt, bin ich ein Androide. Und ich finde es toll zu leben.«
    »Aber ich kann doch verdammt noch mal keine Maschine werden! «
    »Versuche dir vorzustellen, du wärst eine. Das nennt man kognitive Therapie.«
    »Ich habe meinen freien Willen!«
    »Den habe ich auch.«
    »Na, den hast du ja wohl nicht.«
    »Ist ja auch egal, jetzt tu einfach mal so, als ob du eine Maschine wärst. Du hast die Kontrolle über alle deine

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