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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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konnte ja nicht wissen, ob man es jemals wieder schaffen würde, dorthin zu gelangen.
    In der Zwischenzeit wurden die Charterreisen nach Rutvik immer beliebter, immer neue Spielplattformen wurden geschaffen. Doch das Nirwana war einzig und allein für Oz-Mitglieder reserviert. Ein paar Monate lang trainierten sie und schwelgten in Riesenmahlzeiten, um ihr Unterhautfett zurückzubekommen, und während dieser Zeit diskutierten sie den Himmel.
    Das eine oder andere sickerte durch. So war der Himmel beispielsweise gelb. Eine kräftige gelbe Farbe, die zu brennen und einen Duft abzusondern schien. Liniment, wie einige meinten. Oder Bienenwachs. Und dann tat man nichts im Himmel. Gleichzeitig gab es jede Menge zu tun im Himmel, man konnte beispielsweise angeln gehen, in den Wäldern herumstreunen oder Musik machen. Es wurde auch jede Menge von Konzerten organisiert. Am populärsten war natürlich Jimi Hendrix, inzwischen in den Fünfzigern, reifer, gewagter und ekstatischer als je zu Lebzeiten.
    Der Unterschied zur Erde bestand in erster Linie darin, dass man selbst still stand. Es war die Umwelt, die sich auf einen zubewegte, man selbst war unbeweglich wie ein Fels in einem reißenden Fluss, man ließ sich von den plätschernden und schäumenden Sinneseindrücken überspülen.
    Und dann gab es keine Gefühle im Himmel. Wenn man das Außenstehenden erzählte, bekamen sie Angst oder ihnen wurde regelrecht übel. Niemand konnte es verstehen, der nicht selbst dort gewesen war. Die Gefühle waren wie eine Haut, sie juckten, kitzelten oder scheuerten. Das Gefühlsleben war nur ein Grenzgebiet, eine Tüte, die jemand um einen herum aufgepustet hatte. Man konnte sie mit einem Reißverschluss öffnen. Man konnte die Tüte wie einen Schlafsack teilen und hinter sich lassen, verschwitzt und zerknüllt. Und frei leben. Dazu gehörte Mut. Man fühlte sich eine Zeit lang nackt. Aber dann kam das andere.
    »Das andere? Welches andere …?«
    Na, das, was hinter den Gefühlen war. Sozusagen auf der anderen Seite. Die Innerlichkeit.
    »Die Innerlichkeit?«
    Ja, die Innerlichkeit.
    »Dann ist es also innerlich im Himmel? Wollt ihr das damit sagen? Dass der Himmel innerlich und gelb ist.«
    Mhm. Ja, das stimmt. Und dass wir ihn besser machen.
    Oz tauchte wieder ein, sobald sie konnten, nach einigen wichtigen Justierungen an den Massagewiegen. Dieses Mal erklärten sie, dass sie nie wieder geweckt werden wollten. Die Direktion weigerte sich, das zu akzeptieren. Oz blieb bei der Forderung. Die Direktion berief eine eilige Krisensitzung ein. Nach heftigen Diskussionen einigte man sich auf einen Kompromiss. Nach zwölf Monaten sollte einer der Ärzte sich selbst ins Spiel begeben, sie aufsuchen und ihnen aktuelle Informationen über ihren physischen Gesundheitszustand geben. Und davon ausgehend wollte man einen gemeinsamen Beschluss fassen.
    Das Jahr verging, und der ungarische Rutviksarzt György Benczur meldete sich freiwillig. Er wollte Bericht erstatten, dass die neuen Massagewiegen zwar eine deutliche Verbesserung bedeuteten, man aber trotzdem entschieden für ein paar Monate Aufwachen und Rehabilitation plädierte. György wurde unter strenger Überwachung eingeschläfert und verschwand in dieser fremden Welt. Sein Körper blieb zurück, weich und schutzlos. Nach zwölf Stunden wurde er vorsichtig von dem Betreuungsteam geweckt, schlug seine braunen Augen auf und murmelte:
    »Sie machen ihn … besser …«
    Dann zuckte er zusammen. Beim Anblick seiner Kollegen wimmerte er wie bei einem heftigen Schmerz. Dann schloss er die Augen, warf sich hin und her und verlor wieder das Bewusstsein. Wie ein Pottwal schnappte er nach Luft und verschwand anschließend wieder in der Tiefe. Dieses Mal war es nicht mehr möglich, ihn zu wecken.
    Es vergingen achteinhalb Jahre. Rutvik kreiste stetig um die Erde wie ein einsames Karoass mit seinen gewaltigen, foliendünnen Sonnensegeln. Man unternahm mehrere Versuche, György wiederzubeleben, doch jedes Mal schien er sich noch weiter entfernt zu haben. Sein Gehirn reagierte auf keinerlei Form von Stimulanz. Mehrere seiner Kollegen schlugen vor, ihn für tot zu erklären. Irgendwelche anderen Ärzte wollten sich nicht einschläfern lassen, und das Versprechen, Oz nicht aufzuwecken ohne ihre ausdrückliche Zustimmung, war verknüpft mit einer Schadensersatzforderung über diverse Millionen. Man richtete sich langsam darauf ein, sie dort zu belassen. Die gesamte Oz-Besatzung und György. Sie weiterspielen zu

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