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Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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diese lebhaften und schmerzlichen Gedanken in ihm wachrief. Er starrte auf die Sachen in seinem Schrank. Ihm blieben hier noch zwei Wochen, und ihm fehlte die Energie, die Sachen auszusortieren, die er in der Zwischenzeit noch anziehen wollte.
    Zach gab auf. Er setzte sich aufs Bett und stützte die Ellbogen auf die Knie. Er rieb sich die Nasenwurzel und spürte heraufziehende Kopfschmerzen. Dann schaute er nach unten und entdeckte eine Ecke von Noras Manuskript, die unter seinem Bett hervorlugte.
    Was ihn mehr als alles andere schmerzte, war das Wissen, wie gut dieses Buch geworden wäre. Sie war fast fertig gewesen. Hundert Seiten hätte sie noch umschreiben müssen, mehr nicht. Sie waren dem Ziel so nahe gewesen … Dieses Buch hätte sich besser verkauft als alle fünf bisherigen zusammen, es hätte sich besser verkauft als alle langweiligen, trostlosen und angeberischen postmodernen Werke, die Finley bearbeitete, zusammen. Es wäre eine echte Sensation gewesen.
    Mit der Ferse schob Zach das Buch ganz unters Bett. Er begann die Sachen aus dem Kleiderschrank zu ziehen und sie in einen leeren Karton zu werfen. Er würde sie einfach weggeben. Alles musste weg. Drüben in L. A. wollte er ganz von vorn anfangen.
    Nach ein paar Minuten erkannte Zach, wie idiotisch er sich verhielt. Egal, was er mit seinen Sachen machte, ob er sie verbrannte, vergrub oder per Post vorschickte, er würde doch nichts mit nach L. A. nehmen.
    Denn er hatte nichts mehr. Und nichts, das war ganz leicht zusammenzupacken.
    Erschöpfter als je zuvor in ihrem Leben ließ Nora ihre Spielzeugtasche in der Eingangshalle fallen. Sie streichelte nicht mal die Hunde, sondern stolperte nur die Treppe in Kingsleys Stadthaus hoch. Im ersten Stock blieb sie einen Moment stehen. Sie war seit Samstag bei Kingsley, weil sie Wesley nicht damit belasten wollte, mit wie vielen Jobs sie sich quälte. Es war der verzweifelte Versuch, Zach und ihr abgebrochenes Buch aus dem Kopf zu bekommen. Wesley rief jeden Tag an, und jeden Tag schickte sie ihm dieselbe SMS:
Mir geht’s gut, Kleiner. Ich komme bald heim
.
    Heute hatte sie drei Kunden gehabt – zwei Männer und eine Frau. Die Männer waren tatsächlich einfacher zufriedenzustellen. Der eine hatte einen Fußfetisch und zahlte echte Wucherpreise, nur um endlose Stunden lang ihre Stiefel küssen zu dürfen. Der andere war ein Masochist, der am glücklichsten war, wenn sie ihn fesselte und ihn eine Schlampe nannte, während sie ihn grün und blau schlug. Beide waren verheiratete Familienväter und aufrechte Mitglieder ihrer Kirchengemeinden. Sie kamen zu ihr, damit ihre Ehen und ihre Leben intakt blieben. Jeden Monat ein paar Stunden mit ihr, dann konnten sie wieder in ihr normales Leben zurückkehren, bis der Druck irgendwann wieder zu groß wurde und sie irgendwo im Geheimen Dampf ablassen mussten. Frauen bedeuteten für Nora meist mehr Arbeit. Wenigstens mochte sie das Mädchen. Sie war eine von Griffins Treuhandfondsfreunden, die sich vor ihrer Familie bisher nicht geoutet hatte, weil sie fürchtete, sie würden ihr dann sofort den Geldhahn zudrehen. Das Mädchen tat Nora leid – sie wusste nur zu gut, wie schwierig es sein konnte, jemandem die Wahrheit zu sagen. Den Menschen, die einem wirklich etwas bedeuteten, zu erklären, was man war.
    Kingsley hatte Nora das Schlafzimmer neben seinem gegeben, nachdem sie nur widerstrebend seine Einladung ausgeschlagen hatte, nachts in seinem Bett zu schlafen. Zach hatte Kingsley beschuldigt, ihr Zuhälter zu sein. Aber das war schon wieder so eine Sache, von der Zach keine verdammte Ahnung hatte. Kingsley hatte ihr vor fünf Jahren das Leben gerettet. Heute waren sie Freunde und Geschäftspartner. Und im Moment war dieses Geschäft für sie gut.
    Ohne sich auszuziehen, brach Nora auf dem Bett zusammen. Sie musste nicht lange warten, bis Kingsley wie jeden Abend in ihrem Zimmer auftauchte.
    „Common ça va?“
, fragte er und trat ein, ohne zu klopfen.
    „Je suis
verdammt noch mal zu erschöpft, um französisch zu sprechen,
Monsieur
.“
    „J’accepte.“
Er setzte sich zu ihr aufs Bett. Die Haare trug er offen, und er hatte das Jackett für heute bereits abgelegt. In der dunklen Weste und mit den kniehohen Stiefeln sah er auf eine lächerliche Art schneidig aus und erinnerte sie an einen Zigeunerkönig. Sie beschloss, ihm das lieber nicht zu verraten.
    „Was trinken?“ Er hielt ihr ein Glas Wein hin.
    „Gott sei Dank.“ Sie nahm einen sehr undamenhaften Schluck

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