Das Locken der Sirene (German Edition)
schaute auf den Wald aus Notizen, der sich auf ihrem Schreibtisch ausgebreitet hatte.
„Wes?“
„Ja, Ma’am?“ Er drehte sich in der Tür um.
„Du kannst mir helfen. Ich brauche alle Hilfe, die ich kriegen kann.“
„Sag mir, was ich tun kann.“
„Zieh dich erst mal um. Wenn du so weit bist, treffen wir uns in meinem Zimmer.“
Wesley verbeugte sich erneut, riss sich die Krawatte herunter und verließ ihr Büro.
Nora druckte den neuesten Entwurf der großen Szene aus. Sie musste vorsichtig sein, damit Wesley die Seiten nicht zu Gesicht bekam. Nicht dass er das eine oder andere, was es da zu lesen gab, missverstand.
Sie betrat ihr Schlafzimmer. Wesley lag bereits auf dem Bett, einen Berg Kissen in den Rücken gestopft. Ein Bein hatte er aufgestellt und den Arm darauf abgelegt. Er war barfuß und trug nur Jeans und ein weißes T-Shirt. Das Sonnenlicht malte Funken in sein sandblondes Haar, und er wirkte noch berauschender als sonst. Einen Moment lang konnte Nora keinen klaren Gedanken fassen. Was wollte sie noch mal hier? Er sah sie an und lächelte nicht, sondern hob lediglich das Kinn leicht an, als wüsste er genau, was in ihr vorging. Hätte sie diesen Gesichtsausdruck bei einem anderen Mann gesehen, hätte sie gedacht, es sei die Aufforderung, zu ihm zu kommen.
„Worum geht’s in der Szene?“, fragte Wesley.
Nora hüpfte zu ihm aufs Bett. „Es ist schwer, die Zusammenhänge zu erklären, solange du nicht das ganze Buch gelesen hast. Was du nicht hast.“
„Du hast es mir nicht gegeben.“
„Du kannst es lesen, wenn es fertig ist. Vielleicht.“
„Du hast mich schon früher erste Entwürfe lesen lassen.“
„Wollen wir uns streiten oder so tun, als ob wir Sex haben?“
Wesley atmete tief durch. „So tun als ob, glaube ich. Was mache ich?“
„Du schläfst im Bett. Sie schläft auf dem Fußboden.“
„Er zwingt sie, auf dem Fußboden zu schlafen?“
„Er gibt ihr eine Decke.“
„Wie romantisch.“
Nora schaute auf ihre Seiten, die vom Drucker noch warm waren. „Okay, ich bin sie. Ich wache auf und will dich haben. Denn auch wenn ich weiß, dass wir nicht zusammenpassen, ändert das nichts an der Tatsache, dass ich dich liebe und alles versuche, damit es funktioniert.“
Wesley nickte.
„Du tust so, als würdest du schlafen“, erklärte Nora ihm. „Dann wecke ich dich auf. Und du gestattest mir, dich zu lieben.“
Nora erwartete, dass Wesley lachen oder Einspruch erheben würde. Aber er legte nur den Kopf leicht zur Seite und rutschte tiefer in die Kissen. „Okay, Nora“, sagte er. Seine Stimme klang ruhig und ernst. „Dann liebe mich.“
Ein Kribbeln erfasste Noras Finger, als ob ihre Hände eingeschlafen wären und jetzt wieder aufwachten. Um ihre plötzliche Nervosität zu kaschieren, blickte sie konzentriert auf die Seiten und versuchte die richtige Stelle zu finden, um anzufangen.
Sie atmete tief durch und streckte die Hand aus. Wesley stellte sich schlafend. Er hatte den Kopf auf die Seite gelegt und die Augen geschlossen. Die blonden Wimpern ruhten auf den gebräunten Wangen. Sie berührte sein Gesicht so zärtlich wie möglich, und er schlug die Augen auf.
„Was mache ich dann?“, fragte er.
„Er packt ihr Handgelenk. Hart, aber nicht brutal.“
Wesley hob die Hand und packte Noras Handgelenk. Sie fragte sich, ob er den Puls spüren konnte, der unter ihrer Haut raste.
„Was kommt dann?“ Mit dem Daumen streichelte Wesley ihr Handgelenk.
„Er sagt zu ihr: ‚Du weißt, das verstößt gegen die Regeln.‘“
„Und sie sagt was?“
Nora zögerte. Das Licht veränderte sich in ihrem Schlafzimmer, weil eine Wolke das Sonnenlicht schluckte. Alles wurde in blasse Schatten getaucht. Der dunkle Raum wirkte plötzlich gefährlich intim, aber sie wagte es nicht, jetzt einen Rückzieher zu machen. Sie wusste, wie zerbrechlich ein Moment wie dieser war. Wie leicht er in tausend Splitter zerspringen konnte. Ihr Körper spannte sich an. Das ganze Zimmer hielt den Atem an.
„Sie sagt: ‚Das hier ist kein Spiel mehr. Jetzt bin nur ich es. Ich will dieses eine Mal einfach nur mit dir zusammen sein.‘“
„Und er sagt?“
„Er sagt gar nichts. Sie schauen einander im Dunkeln an, bis sie sagt … Sie sagt: ‚Bitte.‘“
Noras und Wesleys Blicke trafen sich.
„Bitte“, wiederholte Wesley. „Und was passiert dann?“
„Dann kommt der große Moment. Er hat immer alles unter Kontrolle gehabt, er war die ganze Zeit verantwortlich. Dies ist der
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