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Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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einen Stein bis in alle Ewigkeit einen Hügel hinaufzurollen, oder, Meister?“
    „Es ist edel, weil Sisyphos mehr tut als nichts. Er weiß, seine Aufgabe ist vollkommen sinnlos, und die Welt ist absurd. Aber er macht weiter, er weigert sich einfach, sich der Vergeblichkeit seines Handelns zu ergeben. Das ist gleichermaßen edel und tiefgründig.“
    „Es ist deprimierend. Und Camus war Atheist, richtig?“, konterte sie und legte das Kinn auf sein Knie
.
    „Das war er, ja.“
    „Dann ist Sisyphos’ Etwas im Grunde ein Nichts. Ohne Gott hat das Leben keine Bedeutung. Einen Stein beständig einen Hügel hinaufzurollen ist nicht edler, als ihn einfach am Fuß des Hügels liegen zu lassen und sich das Leben zu nehmen.“
    William lächelte sie an und vergrub die Finger sanft in ihrem Haar. „Mein kleiner Kierkegaard … Wenn man mir jetzt sofort beweisen würde, dass der Himmelsthron leer ist und sich im Zentrum von allem ein großes und leeres Nichts erstreckt … dann würde ich dich heute Nacht doch mit derselben Wildheit lieben wie letzte Nacht. Ist das nicht die bessere Antwort als ein selbst auferlegtes Zölibat?“
    Sie errötete wie eine junge Braut. „Ich glaube, das ist eine komplizierte Frage, Meister.“
    „Daran ist überhaupt nichts kompliziert.“ Er schloss das Buch und legte es beiseite. „Und was liest du gerade?“
    „Ich habe eine alte Ausgabe mit Erzählungen von O. Henry gefunden. Wir haben in meinem ersten Jahr an der Highschool ‚Das Geschenk der Weisen‘ gelesen. Seitdem habe ich aber nichts anderes von ihm gelesen.“
    „Ach ja. Das junge Paar, das so verarmt ist, einander aber aus tiefem Herzen liebt … Sie verkauft ihren einzigen Besitz, das üppig lange Haar, um für die Uhr ihres Mannes eine Kette zu kaufen. Und ihr Mann verkauft seinen einzigen Besitz, nämlich besagte Uhr, um seiner Frau Kämme für ihr üppig langes Haar zu kaufen. Auf dem Altar der Liebe haben die beiden das Einzige von Wert geopfert, das sie besaßen.“
    „Sie hatten immer noch einander“, widersprach sie. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern
.
    „Ja, natürlich. Sie hatten einander.“ William löste die Hand aus ihrem Haar und griff wieder nach dem Buch. „Und du hast behauptet, Camus sei melancholisch.“
    „Hey, Sünderin“, rief Wesley und schaute in ihr Büro. „Kannst du dir fünf Minuten Pause gönnen?“
    „Ich kann es eigentlich nicht, aber ich
brauche
es.“ Nora schob den Stuhl vom Schreibtisch weg und musterte Wesley von oben bis unten. „Anzug
und
Krawatte? Sieht aus, als wärst du der
GQ
entstiegen.“
    Er verbeugte sich vor ihr. „Heute ist Ostern, Nora. Kannst du dich wenigstens so lange von deinem Buch loseisen, um mit mir an Ostern in die Kirche zu gehen?“
    „Wenn ich zur Kirche gehen wollte, müsste es Sacred Heart sein.“
    Wesley verzog das Gesicht. „Ich verstehe. Wie geht’s mit dem Buch voran?“ Er setzte sich in den Sessel vor ihrem Schreibtisch.
    „Ganz gut. Es ist schwerer, weil ich jetzt nicht mehr jeden Tag die Rückmeldungen bekomme. Ich hatte mich schon so daran gewöhnt. Aber es geht voran. Obwohl ich die große Schlüsselszene fürchte.“
    „Wo liegt das Problem?“ Wesley lockerte die Krawatte.
    Nora stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und rieb sich die Schläfen. „Es ist ein völliges Chaos. Dabei ist es die wichtigste Szene im ganzen Buch.“
    „Also ist es eine Sexszene.“
    „Ja, Genau. Aber für mich ist es wirklich schwer, sie zu schreiben. Mein Held in diesem Buch ist der pure Fetisch, und meine Heldin ist so Vanilla, wie man nur sein kann. Aber sie versucht so zu sein, wie er es gerne hätte. In dieser Szene gibt er nach und versucht so für sie zu sein, wie sie es braucht. Es ist für mich schwierig, so eine Szene zu schreiben, weil ich noch nie richtigen Vanilla-Sex hatte.“
    „Kann ich dir helfen?“
    „Du willst mir beim Schreiben einer Sexszene helfen?“
    Wesley zuckte mit den Schultern. „Ich habe dir früher auch schon häufiger geholfen.“
    „Stimmt, und damals hast du geschworen, es nie wieder zu tun. Wobei ich finde, dass du überreagiert hast.“
    „Du hast mich mit Händen und Füßen hinter dem Rücken gefesselt auf dem Boden liegen lassen, während du dir ein Sandwich gemacht hast.“
    „Ich habe dir immerhin angeboten, was abzugeben.“
    „Wie du willst! Ich muss erst mal aus diesen Klamotten raus, bevor ich noch ersticke. Schrei einfach, wenn du Hunger kriegst.“ Er stand auf und ging zur Tür.
    Nora

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