Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
Vom Netzwerk:
retten. Methodisten versuchen immer, andere Leute zu retten.“
    „Sind Sie sicher, dass er nicht auch etwas für Sie empfindet?“
    „Er hat bestimmt Gefühle für mich. Vorherrschend Verwirrung, Frustration und Abscheu, die sich mit einer gewissen Belustigung vermischen. Aber das ist nicht sonderlich überraschend, denn er kennt sich mit meinem Spiel nicht aus.“
    Zach verspürte augenblicklich eine gewisse Sympathie für den Jungen. Er empfand ähnlich für Nora. Bei ihm kamen aber noch Faszination, Erstaunen und Erregung, gemischt mit einer gewissen Lähmung, dazu.
    „Sie sagen, er war Jungfrau, als er bei Ihnen einzog. Woher wissen Sie dann, dass er nicht wie Sie ist?“
    „Fetischradar“, sagte Nora und tippte gegen ihre Nase. „Leute mit einem besonderen Fetisch können es riechen, wenn ihr Gegenüber auch so gepolt ist. Und mein Wesley riecht nach warmer Vanilla.“
    „Ich frage mich, wonach ich wohl rieche.“ Zach verfluchte sich sofort dafür, die Frage laut gestellt zu haben.
    Nora neigte den Kopf. Zachs Herz fing an zu rasen. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und glitt auf den Küchentisch. Sie streckte sich und kam ihm ganz nah. Ihre Nase war an seinem Hals, und sie atmete ganz langsam seinen Duft ein. Ein zarter Lufthauch flüsterte über Zachs Haut, und plötzlich wusste er, was jeder Muskel seines Körpers gerade tat.
    „Kein Fetischist. Aber auch kein Vanilla. Sie riechen nach … Neugierde. Neugier ist der Katze Tod, das wissen Sie bestimmt.“
    „Nora“, warnte Zach sie. J. P. würde ihn in null Komma nix von Noras Buch abziehen, wenn er sie beide jetzt so sehen könnte.
    „SM hat nicht nur eine sexuelle und eine körperliche Komponente, sondern auch eine psychologische. Stellen Sie sich einfach vor, sich so tief in den Verstand einer Frau hineinzubohren, wie Sie sich in ihrem Körper versenken.“
    Zach umfasste den Kakaobecher fester, der von der dampfenden Flüssigkeit immer noch warm war.
    „Wir arbeiten hier“, rief er ihr in Erinnerung. Und auch sich. Er musste wieder an das Foto in der Zeitung denken. An ihren Mund, der genauso dicht an seinem Ohr war wie jetzt. Wenn er den Kopf nur wenige Zentimeter zur Seite drehte, würden ihre Lippen unweigerlich auf seine treffen.
    „Ich schreibe Erotik. Ich arbeite also. Wollen Sie ein paar Überstunden machen?“
    „Nora, uns bleiben weniger als sechs Wochen, um mehr als fünfhundert Seiten zu füllen. Jetzt runter mit Ihnen vom Tisch, und hören Sie auf, meine Zeit zu verschwenden.“
    „Na gut“, erwiderte sie gespielt beleidigt.
    Zach war erleichtert, dass sie wieder auf ihre Seite des Küchentischs rutschte und sich brav auf ihren Stuhl setzte. Sie hob den Stapel Notizen an und zog eine Ausgabe des Branchenmagazins darunter hervor, das auf der ersten Seite über sie beide berichtete. Ganz entspannt lehnte sie sich zurück, legte die Beine auf den Tisch und fing an, die Zeitung durchzublättern. Zach starrte das Foto an, das direkt vor seiner Nase schwebte. Darunter stand:
Erotikautorin Nora Sutherlin bekommt eine royale Behandlung
.
    Nora blätterte um und seufzte. „Und ich habe wirklich gedacht, der Nebel lichtet sich so langsam.“
    Zach starrte inzwischen seit über siebzehn Minuten unverwandt auf den Computerbildschirm. Er hatte geschworen, heute Abend die Buchrezension für die
Times
zu schreiben, doch die Worte wollten einfach nicht kommen. Er hatte Worte, oh ja. Aber es waren die falschen Worte, Noras Worte, aber nicht die Worte, die er brauchte.
    „Kein Fetischist“, hatte sie ihm ins Ohr geschnurrt und damit jeden einzelnen Nerv seines Körpers, der so lange vernachlässigt worden war, in Flammen gesetzt. „Aber auch kein Vanilla …“ Nora … Zach verstand jetzt, warum manche Leute sich vor ihr fürchteten. Er hatte Angst vor ihr, vor ihrer Macht, jeden seiner Gedanken für sich einzunehmen. In ihrer Nähe fühlte er sich seltsam losgelöst, verunsichert, und doch hatte er das Gefühl, von all den Menschen, die er hier in New York kennengelernt hatte, war sie die Einzige, der er vertrauen konnte.
    Sich tief in den Verstand einer Frau hineinzubohren …
Zach versuchte die Flut an Bildern einzudämmen, die ihre Worte in ihm hervorriefen, doch es gelang ihm nicht. Graces weiche Haut, die sich mondhell von den mitternachtsschwarzen Laken abhob. Ihr Rücken an seiner Brust, seine Hände auf ihren, sein Mund an ihrem Hals, während er tief in sie eindrang, ihren Körper kennend und doch so wenig über ihre Seele wissend.

Weitere Kostenlose Bücher