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Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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Allerdings hörte sie auch die Qual in der Stimme seiner Mutter, den Schmerz und die Angst und die eiserne Entschlossenheit. Wesleys Mom wollte ihn nach Hause holen, um ihn im Auge zu behalten. Genau das wollte Nora auch.
    Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie suchte Dr. Jonas und brachte ihn dazu, Wesleys behandelnden Arzt anzurufen. Wesley habe nach seiner Einlieferung immer wieder das Bewusstsein verloren, erklärte dieser, aber vor ein paar Stunden sei er wach gewesen und habe mit dem Arzt reden können. Sie hätten seinen Insulinspiegel stabilisiert, und in ein oder zwei Tagen könne er schon wieder entlassen werden. Offensichtlich nahm Wesleys Körper das Insulin nicht so gut auf, wie er sollte. Eventuell würde er es in Zukunft mit einer größeren Nadel injizieren müssen.
    Nora fühlte mit ihm. Wesley verabscheute Nadeln. Er injizierte das Insulin immer in den linken Oberarm, wo er nicht sehen konnte, wie die Nadel in seine Haut eindrang. Sich zukünftig die Nadeln in den Oberschenkel oder den Bauch rammen zu müssen würde ihn vermutlich eher umbringen, statt ihm zu helfen.
    Dr. Jonas versprach ihr, Kingsley anzurufen, sobald er etwas Neues erführe. Im Moment jedoch könne Nora nichts für Wesley tun und solle lieber nach Hause fahren.
    Nur widerstrebend verließ Nora das Krankenhaus. Sie fuhr nach Hause und beschloss, wenigstens zu versuchen, etwas zu schlafen. Ein Blick auf die Uhr – fast acht. Sie war inzwischen seit über vierundzwanzig Stunden wach.
    Sie lenkte den Wagen in die Einfahrt und schaltete den Motor aus. Im selben Moment verlor sie jedes bisschen Energie, um irgendetwas zu tun. Sie beugte sich vor, stützte die Arme auf das Lenkrad und heulte Tränen der Erleichterung, Erschöpfung und Angst. Wesleys Mutter war die sprichwörtliche Magnolie aus Stahl, und sie wollte ihren Sohn nach Hause holen. Nora betete stumm, dass er in der Zeit bei ihr gelernt hatte, jemanden auf diplomatische Art und Weise in seine Schranken zu weisen.
    Jemanden in seine Schranken weisen …
    Nora lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze.
    „Scheiße … Zach.“
    Sie startete den Motor und lenkte den Wagen in Richtung Süden nach Manhattan.

9. KAPITEL
    A m nächsten Morgen marschierte Zach direkt in J. P.s Büro, ohne vorher auch nur in seinem Büro den Mantel abzulegen.
    J. P. blickte von seiner Lektüre auf und erbleichte.
    „Ich fühle mich gerade an die letzten Worte Emily Dickinsons erinnert“, sagte er. „
Der Nebel steigt auf.“
    „Ich bin fertig mit ihr.“
    J. P. starrte ihn über den Rand seiner Brille an. „Easton, Royal könnte mit ihr einen Haufen Geld verdienen.“
    „Dann such einen anderen Lektor für sie. Mir ist es egal, ob wir sie veröffentlichen oder nicht. Ich bin mit ihr fertig. Patricia Grier rief mich gestern Abend an. Sie meinte, ich sei jederzeit willkommen, ein paar Wochen früher nach L. A. zu kommen und eine Weile mit ihr zusammenzuarbeiten. Das ist keine schlechte Idee.“
    „Das ist eine schrecklich blöde Idee. Die Leute werden nicht wissen, wer verantwortlich ist. Du wirst nicht wissen, wer verantwortlich ist. Sie wird deine Position schwächen, und dasselbe wirst du mit ihr machen. Ein Führungswechsel muss schnell und dramatisch ablaufen, damit er Erfolg hat.“
    „Wir sprechen von der Royal West Coast Dependance. Nicht von Frankreich im Jahre 1799.“
    J. P. nahm seine Brille ab und rieb sich die Stirn.
    „Bring mir ihren Vertrag. Ich halte ihn solange unter Verschluss.“
    Zach drehte sich auf dem Absatz um und verließ ohne ein weiteres Wort das Büro seines Chefs. Vor der Tür zu seinem Büro blieb er stehen. Sie war nur angelehnt. Er wusste jedoch ganz genau, dass er gestern Nacht abgeschlossen hatte, denn er hatte sein Notebook auf dem Schreibtisch stehen lassen. Misstrauisch öffnete er die Tür und trat ein.
    „Hey, Zach“, begrüßte Nora ihn. Sie saß auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch und hatte die Augen geschlossen. Ihr Kopf ruhte an der Lehne.
    „Was tun Sie hier?“, wollte er wissen. „Wie sind Sie in mein Büro gekommen? Es war abgeschlossen.“
    „Magie.“ Sie öffnete die Augen und lächelte.
    „Sie sehen schrecklich aus“, sagte Zach. Nora hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihr Gesicht schien vom Schlafmangel ausgezehrt.
    Zach umrundete seinen Schreibtisch, und sie stand auf, damit er sich auf seinen Stuhl setzen konnte. Sie nahm stattdessen auf der Schreibtischkante Platz und lehnte sich zurück, als sei sein Tisch ein

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