Das Locken der Sirene (German Edition)
versucht.“
„Ihr Witzbold hat also tatsächlich versucht, Sie in Schwierigkeiten zu bringen. In Amerika und Kanada sind Handschellen meist standardisiert. Er wollte, dass einer von Ihnen oder Sie beide gefesselt werden.“
„Sie kennen sich mit dem Thema gut aus, hm?“, fragte er, gegen seinen Willen beeindruckt.
„Ich strebe in meiner Arbeit nach Authentizität.“
„Darum haben Sie immer einen Schlüssel für Handschellen dabei?“
Sie lächelte hinterlistig. „Man sollte immer auf alles vorbereitet sein. Wir Straßengören geraten ständig in Konflikt mit den Gesetzeshütern.“
„Wissen Sie, ich sollte mich eigentlich bei Ihnen entschuldigen, weil ich anfangs so grob zu Ihnen war. Die Arbeit geht ziemlich gut voran.“
Für einen kurzen Moment verschwand die Müdigkeit aus ihren Augen.
„Danke, Zach. Das bedeutet mir sehr viel.“
„Danken Sie mir noch nicht. Wir sind noch nicht annähernd auf der Zielgeraden.“
„Ich weiß. Darum bin ich hergekommen. Dies ist ein guter Ort, um zu beten und zu meditieren.“
„Sie beten? Wirklich?“
„Ich bin mit der katholischen Kirche aufgewachsen, ob Sie es glauben oder nicht. Von der Wiege an katholisch, so sagt man wohl. Ich wurde vermutlich sogar in einer Kirchenbank geboren. Wie ich meinen Vater kenne, wurde ich wohl auch in einer gezeugt. Ich gehe heutzutage nicht mehr allzu oft zur Messe, aber hin und wieder bekomme ich Heimweh.“
„Die Priester müssen ja Schlange stehen, um Ihnen die Beichte abzunehmen.“
Nora lachte. Ein freudloses, hohles Lachen.
„Nein“, sagte sie und schaute knapp an ihm vorbei. „Zur Beichte gehe ich schon lange nicht mehr.“
„Und was treibt Sie dann hierher, wenn Sie nicht länger praktizierende Katholikin sind? Ist es der Glaube oder die Sehnsucht?“
„Vielleicht ist es die Sehnsucht nach meinem Glauben.“ Sie zuckte mit den Schultern und lachte erneut. „Ich glaube. Ja, wirklich, das tue ich. Mein Leben war zu gesegnet, um nicht zu glauben. Der Glaube ist aber für mich nicht mehr so einfach wie früher. Jedenfalls nicht, seit ich Søren verlassen habe.“
„War es mit ihm einfacher?“
Nora nickte. „Es ist einfach, an Gott zu glauben, wenn man jeden Morgen aufwacht und weiß, dass man bedingungslos geliebt wird. Das hat Søren mir gegeben.“
„Aber trotzdem haben Sie ihn verlassen. Warum?“
„Es gibt nur zwei Gründe, warum man jemanden verlässt, den man immer noch liebt. Weil es entweder das Richtige oder das Einzige ist, was man tun kann.“
„Und was war es bei Ihnen?“
Nora atmete langsam aus. „Es war das Richtige, glaube ich. Und bei Ihnen?“
Zach drehte den Kopf. Er sah das Kirchenfenster mit der Jungfrau Maria, die das Jesuskind in den Armen hielt.
„Das Einzige, glaube ich. Es genügt wohl, wenn ich sage, dass Grace und ich niemals hätten zusammenkommen dürfen.“
„Klingt ganz nach Søren und mir. Wir hätten auf keinen Fall zusammen sein dürfen.“
„Warum nicht?“ Wenn er herausfände, wieso Nora den Mann verlassen hatte, den sie so sehr liebte, würde ihm das vielleicht helfen, zu verstehen, warum Grace sich von ihm zurückgezogen hatte.
„Er hatte …“ Nora zögerte und schien nach dem richtigen Wort zu suchen. „Andere Verpflichtungen.“
„Ist er verheiratet?“
Sie hob die Hand und legte sie an ihren Hals. Er folgte ihrem Blick. Sie schaute auf ein kleines Kruzifix aus Eisen. Jesus am Kreuz …
„Etwas in der Art.“ Sie schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu verscheuchen, und schaute Zach dann in die Augen. „Kommen Sie. Wir gehen zurück ins Haus. Dort können Sie einen Blick auf die neuen Kapitel werfen.“ Nora streckte ihm die Hand hin, und Zach nahm sie. Er ließ sich von ihr hoch- und zu ihr heranziehen.
Sie standen dicht voreinander, ihre Körper berührten sich nur um Haaresbreite nicht. Nora blickte nach unten und wieder zu ihm auf.
„Oje. Kein Platz für den Heiligen Geist.“
„Sie sind wirklich unverbesserlich, Ms Sutherlin.“ Zachs Lächeln verschwand, als ihm die dunklen Schatten unter Noras Augen auffielen. „Sie sehen erschöpft aus. Schlafen Sie nicht?“
„Mir geht’s gut. Aber letzte Nacht bin ich jede Stunde aufgewacht und musste nach Wes sehen. Wissen Sie, dass ich mir extra eine Spirale habe einsetzen lassen, damit ich ja nie in die Verlegenheit komme, mir um ein Kind Sorgen machen zu müssen? Das ist ziemlich unfair“, sagte sie und lachte.
„Eine Spirale? Sie sind wirklich eine schlechte
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