Das Los: Thriller (German Edition)
sagen, wie Ihr reagiert habt, als Ihr bankrottgegangen seid.«
Kaum waren diese Worte ausgesprochen, starrte der König seinen Gast empört an, und sein Gesicht wurde ganz blass. Calzabigi stand äußerlich gelassen neben dem Schreibtisch und lächelte mit einer solchen Zuvorkommenheit, als habe er soeben um einen Tanz gebeten und nicht den König beleidigt. Dieser machte Anstalten, sich mit beiden Armen aus dem Sessel zu katapultieren, um seinem Gegenüber höchstpersönlich an die Gurgel zu gehen, erstarrte jedoch mitten in der Bewegung und sank dann zurück auf den Sessel. Farbe kehrte zurück in sein Gesicht.
»Ich habe Euch die Frage erlaubt«, erklärte der König erstaunlich beherrscht. »Und ich verachte Schmeichler mehr als Aufrichtige, die sich etwas trauen. Aber ich verstehe Eure Frage nicht, denn ich bin bisher noch nie bankrottgegangen.«
Bis hierhin hatte er seinen Kopf behalten, dachte Calzabigi, aber dies konnte sich schon mit dem nächsten Satz ändern: Doppelt oder Nichts .
»Wie würdet Ihr Eure Schlacht von Kunersdorf denn bezeichnen – wenn nicht als einen Bankrott, Sire?«, entgegnete Calzabigi. Er bemerkte, wie seine Beine zu zittern begannen, und hoffte, dass man es ihm nicht anmerkte. Der König reagierte anders als erwartet. Statt aufzubrausen, sank er auf seinem Sessel in sich zusammen, als hätte jemand die Luft aus ihm herausgelassen.
Schon befürchtete Calzabigi, dass der König gleich ganz verschwinden würde, da hob sein Gegenüber den Kopf und sprach mit düsterer Stimme: »Ihr habt vollkommen recht. Ich bin gescheitert. Was gibt es für einen grausameren Bankrott als denjenigen auf dem Schlachtfeld?« Für einen Moment glaubte Calzabigi, Tränen in den Augen des Königs zu erkennen. Ganz leise sprach dieser weiter: »Bei Euren Bankrotten habt Ihr nur Geld geschuldet, ich hingegen … ich schulde für diese Schlacht sechstausend Menschenleben!« Pure Verzweiflung klang nun aus den Worten des Königs.
Calzabigi spürte, dass er zu weit gegangen war. »Sire, ich …«, stammelte er.
Unvermittelt erhob der König sich und ging mit schlurfenden Schritten auf Calzabigi zu. Dieser blickte sich kurz um, als prüfe er seine Fluchtmöglichkeiten, doch da stand der König schon vor ihm. Dessen Hand reichte gerade bis zu Calzabigis Schulter, und sie fühlte sich an wie aus Blei, als der König sie dort ablegte.
Der König blickte ihm fest in die Augen. »Ich habe es ertragen und daraus gelernt!«, sagte er, und als er Calzabigis verständnislosen Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Ihr fragtet, was ich nach meinem Bankrott getan habe. Die Antwort lautet: Ich habe ihn ertragen, und ich habe daraus gelernt.«
Eine Weile verharrte der Blick des Königs auf dem Gesicht des Italieners, als würde er darin nach etwas suchen, dann löste er seine Hand und griff an ihm vorbei nach einer Tabakdose, die auf dem Schreibtisch lag. Als er sich kurz darauf wieder in den Sessel fallen ließ, hatte er eine Prise Tabak zwischen Daumen und Zeigefinger und führte sie an seine Nase. Beim Einatmen gab er ein schniefendes Geräusch von sich, anschließend musste er dreimal heftig niesen. Erneut stiegen Tränen in die Augen des Königs, diesmal vom Tabak. Mit einem Tuch, das er aus seinem Rock hervorholte, fing er den Rotz auf, der aus seiner Nase lief. Calzabigi wagte nicht, etwas zu sagen, und stand unschlüssig am Schreibtisch.
»Ich habe Eure Lektion verstanden«, sagte der König schließlich und musste noch einmal niesen, bevor er weiterreden konnte: »Nur weiß ich, welche Lehren ich aus der Schlacht von Kunersdorf gezogen habe, und der bevorstehende Friede ist mein Zeuge dafür. Ich weiß aber nicht, was Ihr aus Euren Niederlagen in Brüssel und Paris gelernt habt und wie Ihr einen weiteren Misserfolg in der Lotterie vermeiden wollt.«
Calzabigi entspannte sich. Ein erleichtertes Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück. »Sire, ich habe eine hochgeheime Methode entwickelt, wie ein Bankrott der Lottokasse sicher vermieden werden kann. Eine sensationelle Neuerung.«
»Und die wäre?«, fragte der König.
»Ich habe es Castelleto genannt«, antwortete Calzabigi mit verschwörerischem Unterton. »Es steht alles hier drin!« Er zeigte auf die Dokumente, die er auf den Schreibtisch gelegt hatte.
»Wie viel Gewinn könnt Ihr mir im Jahr garantieren?«
»Zweihunderttausend Taler, Sire. Wenigstens«, versprach Calzabigi, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern.
Der König verzog beeindruckt die
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