Das Los: Thriller (German Edition)
nicht.«
Wieder dieses Wort, das Trisha nicht verstand. »Wir sind nicht hier, um eine Wohnung zu kaufen. Und ich kenne diese MHADA überhaupt nicht.« Sie blickte hilfesuchend zu Henri.
»Wir kommen wegen einer Lotterie aus Europa, bei der du berechtigt bist, teilzunehmen«, sagte ihr Reisegefährte. »Eine sehr alte, sehr große Lotterie. Mit einem sagenhaften Preis.«
Trisha fand, dass Henri wie ein Staubsaugervertreter klang. Aber was sollten sie sonst sagen. In Pradeeps Gesicht sah sie, dass dieser nun endgültig verwirrt war.
»Ihr kommt nicht von der MHADA?«, stellte er enttäuscht fest.
Trisha schüttelte den Kopf. »Es klingt vermutlich verrückt, was wir dir nun erzählen werden. Aber wir selbst sind von dieser Sache überrascht worden.«
Pradeep ließ seine Kokosnuss los und lehnte sich zurück in den billigen Plastikstuhl. Fast unbewegt lauschte er den nun folgenden Ausführungen von Henri und Trisha, die abwechselnd sprachen. Ohne irgendwelche Anzeichen von Verlegenheit erzählte Henri von dem Besuch des Mönchs im Gefängnis und seiner Flucht; Trisha knüpfte daran an und gab ihr Gespräch mit dem Mönch wieder. Bei Erwähnung der Stadt Las Vegas schienen Pradeeps Augen aufzublitzen. Dafür nahm er ohne sichtbare Regung ihre Erzählung vom Tod des Mönchs auf. Schließlich griff Trisha in ihre Handtasche und entfaltete den Stammbaum, der Pradeeps Namen trug und seine Vorfahren zeigte. Sorgfältig studierte er ihn über seine Kokosnuss hinweg, wobei Trisha der Dreck unter seinen Fingernägeln auffiel.
Schließlich versuchte Henri, die Spielregeln der Lotterie zusammenzufassen, und wies darauf hin, dass Pradeeps Los im Safe ihres Hotels in Mumbai sicher verwahrt wurde. Zu guter Letzt erklärte er: »Zu gewinnen gibt es einen Preis von unermesslichem Wert. Und deine Chancen stehen eins zu vier. Und wie gesagt: Alles, was du einsetzen musst, ist dein Vermögen, was …« Henri sprach den Satz nicht zu Ende.
Trisha wusste, was er sagen wollte. »Was dir vielleicht nicht so wehtut«, vollendete sie den Satz. »Und du müsstest uns nach Europa begleiten, genauer gesagt nach Rom, wo die Ziehung stattfindet.«
»Das ist alles«, schloss Henri und schaute Pradeep erwartungsvoll an.
Trisha fand, dass ihnen die Zusammenfassung unter diesen abenteuerlichen Umständen ganz gut gelungen war. Sie wollte noch einen Schluck trinken, doch ihr Strohhalm gab beim Saugen ein schnorchelndes Geräusch von sich. Die Kokosnuss war so leer wie der Blick, den Pradeep ihnen zuwarf. Sie wusste nicht genau, was für eine Reaktion sie erwartet hatte. Vielleicht ein wenig Dankbarkeit von jemandem, der in einem Slum wohnte und kaum mehr zu besitzen schien als das, was er am Leib trug, und nun eine solche einmalige Chance auf ein besseres Leben geboten bekam.
»Eine Lotterie ist nichts für mich«, meinte Pradeep schließlich mit monotoner Stimme, ohne sie beide wirklich anzuschauen. »Für Leute wie uns gibt es nichts zu gewinnen. Wir haben in Indien eine Hauslotterie. Von der MHADA. Ich habe ein Los gekauft, und meine Nummer wurde gezogen. Ich habe eine Wohnung gewonnen, die wir in einigen Jahren beziehen können. Ich habe jedoch mein ganzes Geld für das Los gegeben. Und nun muss Pandita sterben, weil wir kein Geld mehr für eine Behandlung im Krankenhaus haben.« Er machte eine Pause und schluckte. »Ich wollte meine Niere verkaufen, und nun sitze ich hier.« Wieder machte er eine Pause. Dann seufzte er. »Man kann seinem Los nicht entrinnen«, fügte er an. »Mit keiner Lotterie dieser Welt.«
Trisha wechselte mit Henri einen Blick. Damit hatten sie nicht gerechnet. Eine Weile saßen sie schweigend, vor sich die geleerten Kokosnüsse. Für Pradeep schien die Unterhaltung beendet zu sein.
»Es ist so«, nahm Henri einen weiteren Anlauf. »Wenn du kein Los kaufst, dann findet die Ziehung nicht statt.«
Pradeep zuckte mit den Schultern. Immer noch hatte es den Anschein, als ob er durch sie hindurchsah.
»Wir haben aber unsere Vermögen schon gegeben«, ergänzte Trisha. »Wenn du also nicht mitmachst, wäre für uns alles verloren.«
Pradeep runzelte ein wenig verärgert die Stirn. Womöglich wollte er damit zum Ausdruck bringen, dass ihn dies nichts anginge.
Trisha sah sich um, als sei irgendwo der Schlüssel versteckt, um Pradeep umzustimmen. An der Straße erblickte sie ein kleines Mädchen, das Touristen anbettelte.
»Was ist mit Pandita?«, fragte Trisha. »Wenn du gewinnst, kannst du ihr die beste Behandlung
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