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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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ausgegangen, doch niemand kennt dein Ziel. Keiner kann sich daran erinnern, dich jemals mit einer Freundin oder bei Besorgungen gesehen zu haben. Wo also bist du hingegangen?«
    Marie warf ärgerlich den Kopf in den Nacken und lachte gekünstelt. »So bin ich also doch eine Gefangene, in einem goldenen Käfig«, sagte sie bitter. »Der Ihr nachspioniert, sobald sie das Gefängnis verlässt.«
    Tränen schossen in ihre Augen, und sie taumelte. Schon befürchtete er, dass sie fiel. Zärtlich legte er seinen Arm um ihre Hüfte. Sie schloss die Augen und legte ihren Daumen und Zeigefinger auf die Stirn, als wolle sie sich besinnen. Ein schlechtes Gewissen packte ihn.
    »Verzeih, ich bin zu weit gegangen«, entschuldigte er sich verzweifelt. »Es ist nur so, dass ich …« Er stockte. »Du weißt, dass ich dich verehre. Und als ich neulich diesen Casanova in deinem Bett sah … Du bist nicht meine Gefangene. Ich bin es, der dein Gefangener ist.«
    Er sprach schnell, in abgehackten Sätzen, bemüht, seine Verzweiflung zu unterdrücken. Sie verharrte währenddessen weiter in der Geste, die eine drohende Ohnmacht befürchten ließ, weit in seinen stützenden Arm zurückgelehnt. Er war sich daher nicht sicher, ob seine Worte zu ihr durchdrangen.
    »Nicht du, sondern ich bin es, der eingesperrt ist«, fuhr er fort. »Gefangen in meiner Liebe zu dir. Einem Kerker, zu dem nur du den Schlüssel verwahrst, tief in deinem Herzen. Ich wünschte nur, du würdest ihn entdecken. Versteh doch! Als ich dich sah mit diesem Lüstling! Nicht meine Eitelkeit war verletzt. Mein Herz drohte zu zerspringen!«
    Bei diesem Satz verspürte auch er das Verlangen zu weinen, doch er unterdrückte es im letzten Moment. Ausgerechnet jetzt öffnete Marie die Augen. Eine Sekunde, die sich für ihn wie eine Ewigkeit anfühlte, ruhte ihr Blick auf ihm, dann stieß sie sich von ihm ab und wandte sich wieder dem Geschehen auf der Bühne zu.
    »Verzeiht, ich muss für einen kurzen Augenblick die Besinnung verloren haben«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Sind schon Zahlen gezogen worden?«
    Ungläubig starrte er sie an.
    Ein plötzlicher Jubel der Menge riss Calzabigi aus seinen Gedanken. Wie betäubt beobachtete er, wie Charles nicht weit entfernt seine Rolle als Waisenknabe besser denn je spielte. Mit schüchterner Miene beförderte er eine Kapsel nach der anderen aus der Trommel heraus, die geöffnet und nach der Verkündung in das Publikum geworfen wurde.
    Weit aufgerissene Münder johlten, brüllten, grölten, pöbelten zu ihnen hinauf. Mägde schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Bauern reckten Fäuste in die Luft. Fröhliche Gesichter wechselten sich mit traurigen, zufriedene mit gierigen, hoffnungsvolle mit verzweifelten ab. Hüte flogen gen Himmel und regneten wieder hinab. Vor Fieber glühende Wangen leuchteten ihm wie Hunderte von Laternen entgegen.
    Und plötzlich kam es ihm vor wie auf einer Hinrichtung. Seine Lotterie erschien ihm als Totentanz. Und er war der zum Scharfrichter erhobene Dirigent.

69
    R OM
    Die Stunden im Carcere di Regina Coeli erweckten eine alte Geschäftsidee von ihm zu neuem Leben: Knastferien. Warum sollten deutsche Häftlinge nicht einen Teil ihrer Strafe im Ausland verbüßen dürfen? Wie viel milder war die Luft, die hier in Rom durch die Gitterstäbe auf ihn herabfiel. Wie anders sah der Sternenhimmel aus, den er nachts ausschnittsweise bewundern konnte. Und wie unterschiedlich waren erst die Sitten beim Hofgang und beim Kontakt mit den anderen Häftlingen?
    Mit einem Mal lachte Henri bitter auf. »Hast du Lack getrunken, oder was?«, war er einst von Verbeeck gefragt worden, als er scherzhaft von seiner Knasturlaubidee erzählt hatte. Im Gefängnis hatte man wirklich oft merkwürdige Einfälle.
    Hier in Rom teilte Henri sich die Zelle mit zwei anderen Häftlingen, einem bärbeißigen Polen und einem Mann, von dem er weder den Namen noch dessen Nationalität in Erfahrung hatte bringen können. Der Typ wirkte gefährlich, und so verzichtete er darauf, mit ihm zu sprechen. Die meiste Zeit lag er eh gelangweilt auf seiner Pritsche und starrte gegen die Decke.
    Er wusste nicht, wie lange er hier bleiben würde. Ein Richter, der die deutsche Sprache ziemlich gut beherrschte, hatte ihm erklärt, dass er sich aufgrund eines internationalen Haftbefehls in Auslieferungshaft befand und man nun, bevor man über seine Auslieferung entscheiden könnte, die erforderlichen Dokumente in Deutschland angefordert habe, die auch

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