Das Los: Thriller (German Edition)
für die Taten der Fortuna anzuklagen.«
Calzabigi schlug zornig mit der Faust auf den Tisch. Dann drehte er sich wortlos um und stürzte zum Ausgang.
Vor dem Lotterieamt bahnte er sich seinen Weg durch die Arbeiter, die damit beschäftigt waren, die Bühne abzubauen. Ohne nach einer Droschke Ausschau zu halten, rannte er die Straße Unter den Linden entlang, stieß mit Passanten zusammen, die ihm hinterherschimpften, erweckte die Aufmerksamkeit zweier Polizisten und war schon um die nächste Ecke, bevor sie ihm nachsetzen konnten. Er lief die Allee hinunter, wechselte die Straßenseite, nahm eine Abkürzung durch zwei Häuserschluchten und bewegte sich dann entlang der Straßen, die er von seinen Kutschfahrten kannte.
Die Sonne brannte an diesem Mittag erbarmungslos vom Gipfel des Himmels herab, und so war er vollkommen durchgeschwitzt, als er endlich vor seinem Haus anlangte. Calzabigi öffnete die Eingangstür, ohne auf den Hausdiener zu warten. Er stürmte die Treppen hinauf, wobei er ins Straucheln geriet und sich an einer Stufe hart das Schienbein anstieß. Endlich kam er vor Maries Tür zum Stehen. Die Rose, die er auch diesen Morgen davor abgelegt hatte, war verschwunden. Er bollerte mit der Faust gegen die Tür und rief wütend ihren Namen. Als keine Antwort aus dem Zimmer drang und auch niemand öffnete, drückte er die Klinke nach unten. Die Tür war verschlossen. Er trat einen Schritt zurück, warf sich nach vorn und rammte seine Schulter gegen das Holz. Krachend splitterte die Türzage in Höhe des Schlosses, die Tür gab nach, und er fiel taumelnd ins Zimmer. Es war leer.
Nur kurz hielt er sich sein schmerzendes Schienbein und die brennende Schulter, während er den Raum nach einer Vase oder einem ähnlichen Behältnis absuchte. Dann humpelte er zum Nachttisch neben dem Bett. Er fegte ein Buch und einen Flakon zur Seite und riss die Schublade heraus. Den Inhalt verteilte er auf dem Boden, warf sich auf die Knie und untersuchte die einzelnen Gegenstände. Anschließend blickte er unter das Bett, wobei seine Perücke verrutschte, nahm den Nachttopf an sich und schaute auch darin nach. Dann erhob er sich und lief zu dem großen Schrank an der Stirnseite, wühlte Kleider heraus und riss Borte aus ihrer Verankerung. Schließlich nahm er sich die Kommode vor. In einer Büchse mit Haarklammern fand er einen Schlüssel und öffnete damit Schublade für Schublade. Er warf Wäsche hinter sich wie ein Hund den aufgewühlten Dreck beim Scharren in der Erde.
Plötzlich stockte er, als er zwischen dem weißen Stoff etwas entdeckte. Mit der Hand strich er über den Einband einer großen Bibel. Im nächsten Moment erspähte er daneben, zwischen der Spitze eines Unterrocks, etwas Metallisches und griff danach.
Verwundert nahm er die Pistole und wog sie in seiner Hand. Sie hatte einen achtkantigen, glatten Lauf. Das Steinschloss war fein graviert, ebenso der aus Nussholz geschnitzte Schaft, in den Ornamente aus eingelegtem Silberdraht eingebracht waren. Auf der Schlossplatte entdeckte Calzabigi Initialen, die er mit dem Zeigefinger nachzeichnete: »G. C«.
Seine Arme erschlafften, und er ließ sich kraftlos zurückfallen. Dann saß er auf dem Fußboden, mit dem Rücken an die Kommode gelehnt, die Hand mit der Waffe von sich gestreckt. Er wusste nicht, wonach er eigentlich gesucht hatte. Nach den Rosen. Oder aber nach irgendeinem Beweis. Für ihre Liebe – oder für ihre Verachtung.
Gefunden hatte er eine Pistole neben einer Bibel. Und es gab keinen Zweifel, wer sie Marie gegeben hatte und zu welchem Zweck. Mit glasigem Blick spannte er den Hahn der Pistole.
Wenn man ihm schon Hörner aufsetzte, dann musste man in Kauf nehmen, einen Teufel erschaffen zu haben.
72
R OM
»Signorina Wilson, hier ist ein Mr. Fields, der Sie sprechen möchte. Kann ich ihn zu Ihnen hochlassen?«
Trishas Herz machte einen Sprung. Carter Fields stand in der Empfangshalle ihres Hotels? Sie schaute in den Spiegel. Auch wenn sie gerade ein wenig gedöst hatte, war sie durchaus gesellschaftsfähig. Mit einer Hand ordnete sie rasch ihre Haare. Chad war in der Stadt unterwegs. Vielleicht war es aber gar nicht so schlecht, wenn sie Fields ohne ihn empfing.
»Schicken Sie ihn hoch!«, sagte sie in den Hörer, dann legte sie auf.
Sie lief durch das Zimmer und hob ein paar Wäschestücke auf. Dann warf sie die Tagesdecke über das Bett. Sie setzte sich auf die Bettkante und wartete. Der Notar hatte ihr, nachdem sie die Unterlagen des
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