Das Los: Thriller (German Edition)
scheiße!«, resümierte er, während er sich wieder beruhigte.
»Weshalb saß er dann im Gefängnis?«, fragte Trisha. Nun begann auch noch ihre Stimme zu zittern. Eine böse Vorahnung beschlich sie.
»Betrug, Mandantenverrat. All so ein belangloses Zeug. Der Witz dabei ist, er ist wirklich unschuldig. Alles hat sein Geschäftspartner, der Winkeladvokat, begangen und auf ihn abgewälzt.«
»Sagt er!«, hielt Trisha dagegen. Es waren ihre letzten zaghaften Versuche, die offenkundige Wahrheit nicht wahrhaben zu wollen.
»Ich habe seine Gerichtsakten gesehen! Henri ist Anwalt. Lag alles in seiner Zelle.« Verbeecks Miene verdüsterte sich. »Und ich habe sogar mit seinem Partner gesprochen.«
Trisha schluckte schwer. »Mit seinem Partner?«
»Er schuldete Henri was. Und da es so aussah, als wenn er nie mehr rauskommt und ich nach meiner Entlassung viel Zeit hatte, habe ich ihn besucht. Der Kerl hat alles zugegeben, der Jammerlappen.«
»Warum ist Henri dann nicht freigekommen?«
»Sein Expartner lebt jetzt in Costa Rica. Und er hat es mir gestanden. Mit einem Messer an den Eiern. Ist freilich nicht gerichtsfest. Aber wahr.«
Trisha biss sich auf die Unterlippe. Sie starrte auf das Muster des Teppichs. Dessen Elemente begannen zu flimmern, sich zu bewegen und sich zu neuen Formen zusammenzufügen. Sie blinzelte, um den Spuk zu beenden.
»Wer hat Ihnen denn den Bären mit der Vergewaltigung aufgebunden?«, wollte Verbeeck wissen.
Trisha überlegte kurz, dann antwortete sie ehrlich: »Mein Freund. Chad. Er kennt einen anderen Insassen in dem Gefängnis. Zhang, ein ehemaliger Pokerspieler.«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Zhang tut für Geld zwar alles. Aber er kennt Henri.«
Es klopfte an der Tür. »Oh, das ist bestimmt Chad!«, meinte Trisha. »Er kann es Ihnen selbst erzählen.«
Mit dem Gefühl der Erleichterung ging sie zur Zimmertür und öffnete sie. Zu ihrer Überraschung stand dort nicht Chad, sondern Pradeep.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte sie erschrocken und zeigte auf seine zerrissene Hose und seinen blutenden Arm.
»Ein Motorroller. Ich glaube, jemand hat versucht, mich zu überfahren.«
Kurz darauf saß Pradeep mit einem nassen Handtuch auf dem Arm neben Verbeeck auf dem Sofa. Trisha hatte auf dem Sessel davor Platz genommen.
»Scheint so, als hat es jemand auf die Lotterieteilnehmer abgesehen«, stellte Verbeeck fest, nachdem Pradeep seine Geschichte erzählt hatte.
»Erst Henri, dann dieser Fields, nun Sie.« Er zeigte auf Pradeep. »Logischerweise würde man denken, der Täter ist derjenige, den es nicht getroffen hat«, sagte er zu Trisha gewandt. »Oder einer müsste auf sich selbst geschossen oder versucht haben, sich selbst zu überfahren, was ziemlich unwahrscheinlich ist. Nun ja, und die Geschichte mit Henri am Flughafen spricht auch nicht gerade für Sie.«
Trisha öffnete den Mund, um zu protestieren, doch seine Worte klangen einleuchtend. Auch Pradeep blickte sie nun mit großen Augen an.
»Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich nicht versucht habe, die anderen umzubringen?«, fragte sie schließlich und wandte sich dann an Pradeep. »Glaubst du mir?«
Eine Weile schwiegen alle.
»Ich glaube Ihnen«, sagte Verbeeck schließlich. »Aber dann sind Sie womöglich auch in Gefahr.«
»Wer war es dann?«, rief Pradeep. »Und wer hat mich in Mumbai entführt?«
Trisha zuckte mit den Schultern. Sie fasste ihre Haare mit der rechten Hand und band sie mit einem Haargummi zusammen, das sie um das Handgelenk getragen hatte. Wieder fiel ihr Blick dabei auf das Muster des Teppichs. Sie glaubte, irgendetwas darin zu erkennen, kam aber nicht darauf, was es sein könnte. Ihr war plötzlich danach, allein zu sein. Sie musste nachdenken.
»Weshalb wollten Sie mich überhaupt sprechen?«, fragte sie Verbeeck.
»Ich dachte, vielleicht wollen Sie die Sache mit Henri reparieren.«
Trisha schaute auf Pradeep, der erwartungsgemäß fragend dreinblickte.
»Wie kann ich das tun? Ihm beim Ausbrechen helfen? Einen Kuchen backen – mit einer Feile drin?« Sie schüttelte verbittert den Kopf. »Es gibt Fehler, die kann man nicht wiedergutmachen«, fügte sie an.
»Ich wüsste da vielleicht was«, entgegnete Verbeeck vielsagend.
73
R OM
Dottore Giuseppe Aurelio saß mit geschlossenen Augen weit zurückgelehnt in seinem Lederstuhl, hatte die Füße auf den kostbaren Schreibtisch gelegt und tat nichts. An zu erledigenden Aufgaben mangelte es ihm jedoch nicht. Die
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