Das Los: Thriller (German Edition)
Mönchs mit Pradeeps Los abgegeben hatten, die Nachricht zukommen lassen, dass bald die Ziehung stattfinden würde. Nun wurde es also ernst. Nervös kaute sie an ihren Fingernägeln.
Endlich klopfte es an ihrer Tür. Sie sprang auf und öffnete. Vor ihr stand ein Mann wie ein Laternenpfahl, groß gewachsen, kleiner Buckel, eingefallene Wangen, feuerrote Haare. Dazu trug er einen kurz geschorenen roten Schnauzer. Über einem Hemd aus Jeansstoff trug er ein blaues Sakko, dessen Ärmel hochgekrempelt waren, dazu eine einfache Jeanshose und spitze Cowboyschuhe.
»Mr. Carter?«, fragte Trisha.
Er nickte. »Und Sie sind Miss Wilson?«
Auch sie nickte. Sie musterte ihn noch einen Augenblick, dann ließ sie ihn in ihr Zimmer hinein und schloss die Tür wieder.
Der Mann schaute sich mit angestrengter Miene um, als wäre er bei einer Wohnungsbesichtigung.
»Sind wir allein?«, fragte er, als Trisha sich gegen den Schreibtisch lehnte.
»Mein Freund ist in der Stadt. Er muss aber jeden Augenblick zurückkommen. Setzen Sie sich doch.« Sie zeigte auf das Zweiersofa.
Der Besucher betrachtete es mit einem gewissen Unbehagen und nahm dann mit offensichtlichem Widerwillen darauf Platz.
»Wie geht es Ihnen?«, erkundigte sie sich. »Wir haben im Fernsehen von den Schüssen auf Sie gehört. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob Sie überhaupt nach Rom kommen können.«
Der Mann blickte sie irritiert an. »Wie meinen Sie?«, fragte er.
Trisha fiel plötzlich der starke Akzent auf, mit dem er Englisch sprach. So redete kein Amerikaner … »Sie sind nicht Carter Fields, oder?«
»Nein, bin ich nicht.«
»Sondern?« Trisha schaute zur Zimmertür. Sie würde sie vor ihm erreichen. Langsam hatte sie es über, in Hotelzimmern fremde Männer zu empfangen.
»Ich heiße Jean Michel Verbeeck.«
»Henris … Freund?«, fragte Trisha. Sie verspürte Erleichterung, gleichzeitig versetzte ihr die Erwähnung von Henris Namen einen Stich.
»Sein einstiger Knastbruder – sagen Sie es ruhig«, entgegnete Verbeeck, ohne zu lächeln.
Jetzt wurde ihr auch bewusst, dass er einen belgischen Akzent hatte. Dies war einer der Vorteile, wenn man als Pokerspielerin »arbeitete«. Man kam viel herum, saß im Laufe der Zeit mit Menschen aus fast allen Nationen an einem Tisch und wusste daher, wie man rund um den Globus Englisch sprach.
»Was wollen Sie von mir, und warum haben Sie sich als Carter Fields ausgegeben?«
»Ich hatte Angst, dass Sie mich sonst nicht empfangen würden, nachdem Sie Henri zurück in den Knast geschickt haben.«
»Wer sagt das?«, fragte Trisha. Sie fühlte sich ertappt. Ihre Mundwinkel zitterten, und sie hoffte, dass der Belgier dies nicht bemerkte.
»Er«, antwortete er knapp und heftete seinen Blick auf sie.
»Henri? Sie haben mit ihm gesprochen?« Nun zitterten auch ihre Beine. Trisha kroch weiter auf die Platte des Schreibtisches zurück, sodass sie nun fast saß.
»Ich habe ihn im Gefängnis besucht.«
Dieser Verbeeck war nicht besonders redselig.
»Und wie geht es ihm?«, erkundigte Trisha sich.
Verbeeck wackelte mit dem Kopf. »Wie soll es ihm schon gehen? Ich glaube, er ist verletzt, auch wenn er es nicht zugeben will.«
»Verletzt?«, fragte Trisha besorgt.
»Nicht äußerlich«, sagte Verbeeck. »Hier!« Er fasste sich an die linke Brust.
Trisha versuchte zu verstehen, was genau der Rothaarige meinte. »Weil ich ihn … Ich meine, weil er glaubt, dass ich ihn …«
Verbeeck nickte. »Er meint, er hätte es wissen müssen. Weil Sie eine Spielerin sind. Poker, häh?«
Trishas schlechtes Gewissen wich einem gehörigen Maß Empörung. »Ach, jetzt bin ich also schuld daran?«, ätzte sie. »Hätte er mal lieber die Frau nicht missbraucht, dann säße er jetzt in der Sonne und würde sein Gelato genießen oder das Kolosseum besichtigen, oder was weiß ich.«
Verbeeck stutzte. »Welche Frau soll er missbraucht haben?«
»Oder die Mädchen, was weiß ich!«, verbesserte Trisha sich.
»Henri hat Mädchen missbraucht?«, hakte Verbeeck mit sorgenvoller Miene nach.
»Na die, wegen der oder wegen denen er im Knast saß!«, stellte Trisha genervt fest.
Unvermittelt brach Verbeeck in lautes Gelächter aus. »Henri hat doch keine Frauen missbraucht, und erst recht keine Mädchen!«, rief er aus. »Ich kenne keinen anständigeren Mann als ihn.«
Trisha schüttelte irritiert den Kopf.
»Haben Sie ihn deshalb verraten? Weil Sie glaubten, er sei ein Vergewaltiger?« Wieder lachte Verbeeck. »Das Leben ist echt
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