Das Los: Thriller (German Edition)
Gesprächspartner gewandt.
Ein leichter Wind kam auf und hob die Soutane des Papstes an.
»Wir werden das von Euch begangene Unrecht rückgängig machen«, entgegnete der Papst mit einem geheimnisvollen Lächeln.
»Wie sollte das jemals gelingen? Die Ziehungen sind vorüber, die Gewinne sind verteilt; wir können sie den Menschen nicht wieder wegnehmen«, meinte Calzabigi skeptisch.
»Wir werden eine neue Lotterie veranstalten. Ihr werdet Sie organisieren. Eine päpstliche Lotterie. An ihr teilnehmen dürfen ausschließlich die Gewinner Eurer Königlich Preußischen Lotterie. Als Einsatz soll deren Vermögen dienen. So schöpfen wir es wieder ab. Taler um Taler.« Calzabigi glaubte ein spitzbübisches Lächeln um die Augen des Papstes zu erkennen.
»Niemals werden die Gewinner ihre Gewinne wieder investieren – oder sogar ihr ganzes Vermögen!«, wagte Calzabigi zu widersprechen.
»Oh, doch. Sie werden!«, entgegnete der Papst schmunzelnd. »Denn der große Unterschied zwischen dem himmlischen Glück und dem irdischen Glück ist, dass das irdische Glück niemals vollkommen erscheint. Daher werden Eure Gewinner mit großer Freude bei unserer Lotterie mitspielen, bestrebt, ihr Glück noch auszubauen. Wenn der Preis nur attraktiv genug ist. Aber ihr mögt recht haben, und es mag Gewinner geben, die davor zurückschrecken. Ob nun, weil sie bekehrt wurden, oder aus Angst. Für diesen Fall werden wir vorsorgen, und wir werden uns an ihre Nachfahren halten – so lange, bis jeder Gewinner oder einer seiner Nachkommen in unsere heilige Lotterie gesetzt hat!«
Calzabigi holte tief Luft. Casanova stand lächelnd neben dem Papst. Es war deutlich, dass er diese Idee mit ausgeklügelt hatte.
»Das kann Jahrhunderte dauern«, bemerkte Calzabigi.
Der Papst zuckte mit den Schultern. »Dann wird es Jahrhunderte dauern. Der Herr hat Zeit.«
Eine Weile dachte Calzabigi über das nach, was ihm da vom Heiligen Vater präsentiert wurde. Es kam ihm widersprüchlich vor. »Heiliger Vater, eben noch verteufelt Ihr die Lotterie, und nun wollt Ihr selber eine veranstalten?«
»Man mag von Machiavelli halten, was man will, aber die von ihm aufgestellte Maxime, wonach der Zweck die Mittel heiligt, hat Bestand. Wir veranstalten sie zum Zwecke des himmlischen Glücks. Mit den Einnahmen werden wir Kirchen bauen und den Glauben festigen. Die Bibel billigt das Los, solange es zu einem guten Zweck eingesetzt wird.«
»Und meine Aufgabe soll es sein, die Gewinner aufzusuchen, um Lose für Eure Lotterie zu verteilen«, mutmaßte Calzabigi.
»Mitnichten!«, entgegnete der Papst. »Wie Ihr schon bemerkt habt, kann dies eine Aufgabe sein, die Jahrhunderte in Anspruch nimmt. Ich werde damit einen Orden beauftragen. Den Tempio di Fortuna Euelpis.«
»Fortuna Euelpis?« , wiederholte Calzabigi.
»Der Tempel der Fortuna. Euelpis ist ihr lateinischer Beiname. Er heißt soviel wie ›Der guten Hoffnung‹. Der Tempio di Fortuna Euelpis ist ein Tempel, der schon im alten Rom auf einem der sieben Hügel zu Ehren der Fortuna errichtet wurde. Im 12. Jahrhundert infiltrierte der Orden die Klosterschulen und versuchte, die Fortuna als Dienerin Gottes im christlichen Glauben zu etablieren. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, stieß dies nicht auf Begeisterung unserer Kirche. Wir haben uns mittlerweile arrangiert. Der Orden besteht im Geheimen weiter und hat seine missionarischen Bestrebungen aufgegeben, und wir tolerieren ihn. Heute ist er in einem Kloster in den Abruzzen beheimatet. Nun sagt – wer würde sich besser für unser Vorhaben eignen als diese Ordensbrüder der Fortuna?«
»Was wollt Ihr dann aber von mir?«, erkundigte Calzabigi sich.
»Ihr organisiert für uns die Lotterie. Ihr entwerft die Regeln und den Spielplan. Cavaliere Casanova meinte, dafür ist niemand besser geeignet als Ihr. Und Ihr händigt uns die Namen aller bisherigen Gewinner der Preußischen Lotterie aus, die bisherigen und die zukünftigen.«
»Die zukünftigen?«, fragte Calzabigi erstaunt nach.
»Das Übel ist in der Welt, und es wird sich genauso wenig ausrotten lassen wie die Pest. Mir wurde berichtet, dass die Lotterie als Pacht weitergeführt werden soll. Wenn wir sie nicht verhindern können, so wollen wir sie kontrollieren. Mit Euch als Strohpuppe.«
»Als Strohpuppe?«
»Kennt Ihr das Ritual der Argei? Im alten Rom warf man in den Iden des Mais aus Stroh gefertigte Puppen, die wie Menschen aussahen, in den Tiber. Anstelle von richtigen Opfergaben. Dasselbe
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