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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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breites Grinsen, bei dem er den Blick auf eine Reihe ungepflegter Zähne freigab.
    Sie schloss die Augen, und in ihren Ohren hallte ihr Name wider, wie Chad ihn in dem Hotelzimmer ausgesprochen hatte, als er sie bemerkte. Mit dieser Kombination aus Überraschung und Schrecken. So musste es klingen, wenn jemand – kurz bevor er erschossen wurde – den ihm bekannten Mörder ansprach.
    Sie öffnete die Augen und streckte ihre Hand nach ihrem Glas aus, doch der Gin, den sie bereits intus hatte, ließ sie ins Leere greifen. Ihr Daumen touchierte dabei das hohe Glas, das sofort umkippte und in vier große Scherben zerschellte. Eiswürfel und der Rest des Alkohols folgten dem Gefälle der Tresenplatte, und neben ihr fielen Tropfen auf den Boden. Der Barkeeper war, bewaffnet mit einem Eimer, bereits vor einiger Zeit verschwunden und bekam so von dem Unglück nichts mit.
    Trisha fühlte eine schwer erklärbare Nähe zu dem zerbrochenen Glas, und plötzlich kam ihr die Idee, mit einer der spitzen Glasscherben etwas in ihren bislang noch unversehrten linken Unterarm zu ritzen. Als Andenken an die letzten achtundvierzig Stunden, während derer sie Chad verloren hatte. Während derer sie ein weiteres Mal das Vertrauen ihrer Eltern missbraucht hatte. Und die damit endeten, dass sie nun ganz allein in einer Striptease-Bar in Las Vegas saß und sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder unwirklich fühlte. Als ihr eine einsame Träne die Wange entlanglief und sich mit dem Gin Tonic und Eiswasser auf dem Teakholz des Tresens vermischte, begann sie zu überlegen, welches Wort würdig wäre, für immer auf ihrem linken Unterarm verewigt zu werden.
    Das Wort »Betrug« kam ihr in den Sinn, doch sie verwarf es sofort wieder. Es musste ein Wort sein, welches dem Schmerz gerecht wurde, den das »Schreiben« bereitete, aber welches ihr zugleich auch Mut machte. Andernfalls könnte sie sich gleich die Pulsadern aufschneiden.
    Wie in Trance griff ihre rechte Hand nach einer der Scherben. Links war die Seite ihres Herzens. Oft hatte sie als Jugendliche auch an diesem Arm angesetzt, sich dann jedoch niemals dort geschnitten. Sie starrte auf die Scherbe in ihrer Hand, deren stumpfes Ende sie fest zwischen Daumen und Zeigefinger hielt und deren Spitze bereit war, ihr als Skalpell zu dienen. Dann blickte sie auf die zarte Hautpartie zwischen Handgelenk und Armbeuge, unter der ihre Adern bläulich hervorschimmerten.
    Neben der Showbühne öffnete sich eine Tür und ließ für einige Sekunden Tageslicht in die Bar scheinen, bis der Barkeeper, mit einem Feudel in der Hand, sie hinter sich wieder schloss. Gleich würde er wieder bei ihr sein, die Scherben vor ihr bemerken und sie vermutlich rasch beseitigen. Immer noch ruhte ihr linker Arm unberührt auf dem Tresen. Vielleicht war es ja Schicksal, dass sie, der »Lottogewinn« ihrer Eltern, den Arm als Leinwand für ihre ganz persönliche Kunst bis heute aufgespart hatte, dachte sie. Und in diesem Augenblick wusste sie, was sie schreiben würde. Kurz genug, um es schnell hinter sich zu bringen. Lang genug, um ihr Schmerzen zu bereiten. Vier Buchstaben, die ein ganzes Leben bestimmten und gleichzeitig einen Appell zum Ausdruck brachten.
    Nein, sie würde nicht in Selbstmitleid versinken. Trisha Wilson würde Geschichte schreiben, und mit dem ersten Wort begann sie gleich jetzt.

8
    H AMBURG , S ANTA F U
    Die Tür öffnete sich, und Henri Freihold starrte auf das in Folie eingeschweißte Stück Pappe in seiner Hand. Auf gelbem Grund waren in schwarzer Schrift die Ziffern »1« und »6« aufgedruckt.
    »Tisch 16«, hatte der Wärter gesagt, als er ihm das Kärtchen übergeben hatte, und frotzelnd hinzugefügt: »Heilige Scheiße!«
    Noch während Henri über diese Worte grübelte, wurde er von den mit ihm wartenden Gefangenen durch das große Eingangsportal in den Raum vor ihnen geschoben. Weil Henri während der vielen Jahre, in denen er einsaß, keinen Besuch bekommen hatte und auch nicht an Gott glaubte, war er noch niemals zuvor hier gewesen: in der Anstaltskirche, die täglich für wenige Stunden auch als Besucherraum diente. Lediglich die bunten Glasscheiben an den Seiten der hohen Wände und ein schlichtes Kreuz verrieten, dass dieser Ort nicht ausschließlich den irdischen Belangen der Gefangenen gewidmet war.
    Henri fiel als Allererstes der fremde Geruch auf. Ein Geruch, den er bisher nirgendwo in der Anstalt wahrgenommen hatte. Das Aroma von gerade aufgebrühtem Kaffee und frischgebackenen

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