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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Angebot, das dein Vater damals abgelehnt hat, dir zu unterbreiten. Und wieder bist du eingesperrt. So wie dein Vater sich damals gefühlt hat.«
    Henri glaubte zu träumen. Dies alles war irreal. Erst jetzt fiel ihm über ihren Köpfen eine Kamera auf. Über allen Tischen war jeweils eine installiert und erinnerte die Anwesenden daran, dass sie sich in einem Gefängnis befanden. Wenn sie draußen gewesen wären, hätte er an die »Versteckte Kamera« gedacht, aber nicht hier drinnen.
    »Mach dir keine Sorgen. Sie sind alle zunächst durcheinander, wenn ich sie besuche«, fuhr der Mönch behutsam fort. »Aber ich kann alles erklären.« Er machte eine Pause und reckte seinen Kopf zur Seite. Interessiert schaute er hinüber zu dem mehrere Meter entfernten Tresen, an dem Waffeln und Getränke verkauft wurden. Ein vergnügliches Schmunzeln huschte über sein Gesicht. »Vielleicht willst du dir einen Kaffee holen und mir einen mitbringen?«, fragte er Henri.
    »Sicher!«, antwortete Henri mit der Attitüde eines ertappten Gastgebers und erhob sich. Und während er, wie von Geisterhand gelenkt, auf die junge Frau hinter dem kümmerlichen Schanktisch zusteuerte, drehte er sich noch einmal zu dem Tisch um, in der Hoffnung, dass dieser nun verwaist war und sich alles nur als Halluzination herausstellte, die der Anstaltsarzt abzuklären hatte.
    Doch noch immer saß dort der Mönch in seinem braunen Gewand, hob die Hand und winkte ihm fröhlich zu. Henri beschleunigte seinen Schritt, und im selben Augenblick erinnerte er sich an die Antwort seines Vaters auf seine verängstigte Frage, was der Mönch denn von ihm gewollt hatte: Die schlimmsten Verlockungen , hatte sein Vater mit bebender Stimme gesagt, kommen im harmlosesten Gewand .

9
    B ERLIN , 1763
    Die Stadt seufzte.
    An jeder Straßenecke war es zu vernehmen, hinter jeder Tür, die geöffnet und wieder geschlossen wurde, im Stimmengewirr der Märkte, tausendfach hallte es in den großen Kirchenschiffen von den Wänden wider. Es war kein klagender Laut, kein bloßer Ausdruck von Verzweiflung. Nein, es war die Art von Seufzen, mit der man Anstrengungen begleitete, die man auf sich nahm, weil man es musste. Und die durch diesen kaum hörbaren Ausruf der Seele leichter zu ertragen waren.
    Ein achtes Kriegsjahr stand bevor. Die Erinnerungen an den Überfall der Kosaken, die im vorigen Herbst die Stadt geplündert hatten, bis der herbeieilende König sie wieder vertrieb, waren lebendiger als viele Väter und Söhne.
    Gleich nach seiner ersten Ankunft in Berlin hatte diese Stimmung sich auch wie eine schwere Decke über Calzabigi gelegt.
    Doch seit seiner Rückkehr aus Leipzig und der Audienz bei dem König schwebte er wie auf Wolken durch die Straßen. Mit dem noch exklusiven Wissen um den bevorstehenden Friedensschluss und seinen geheimen Plänen, das Lottospiel hier einzuführen, fühlte er sich wie ein Reisender aus der Zukunft, der im Gegensatz zu allen anderen wusste, was morgen geschehen würde.
    Wenn er nun durch das Meer grauer Gesichter spazierte, schnürte der Anblick nicht mehr sein Herz ein, sondern zauberte ein Lächeln auf seine Lippen.
    An diesem Morgen war ein Läufer erschienen und hatte ihm eine Depesche des Königs aus Leipzig überbracht.
    Euer Plan von der Königlich Preußischen Lotterie ist akzeptiert. Tretet in Kontakt mit dem Hofrat Hainchelin, welcher bereits instruiert ist, mit Euch die Bedingungen auszuhandeln. Ich nehme Euch bei Eurem Wort. Doppelt oder Nichts. Euer Leben als Pfand. Friedrich
    Beim Lesen des letzten Satzes fuhr Calzabigi erneut ein kalter Schauer über den Rücken. Immer noch war er sich unsicher, ob der König es ernst meinte, dass er sein Leben als Pfand geben sollte. Aber es waren schon Menschen wegen geringerer Vergehen als dem Verspielen der Staatskasse hingerichtet worden.
    Der Läufer wusste, wo dieser Hainchelin in Berlin residierte, und so sandte Calzabigi den erschöpften Knaben ohne Umschweife mit der Bitte um ein Treffen weiter. Keine halbe Stunde später stand der Läufer erneut vor ihm und überbrachte ihm die Bestätigung Hainchelins für eine Verabredung am Vormittag.
    Calzabigi machte sich bereit für den Besuch und verließ seine Unterkunft. Solange er in Berlin noch keine eigene Residenz bezogen hatte, wohnte er in einem Zimmer in der Brüderstraße. Das Haus gehörte dem bekannten Unternehmer Johann Ernst Gotzkowsky. Calzabigi verdankte die Bekanntschaft zu ihm der Seifenfabrik, die seine Familie in Livorno

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