Das Los: Thriller (German Edition)
in Aussicht.
Roberto bedankte sich und ging zum Nachbartisch, an dem ein walisischer Schrotthändler saß, den Carter kannte. Auch der Brite hatte bei ihm investiert. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Venezulaner sich setzte und dabei heimlich die Wasserflasche unter dem Tisch versteckte. Nach kurzem Überlegen machte Carter in der Spalte für den Spendenbetrag einen Strich, was bedeutete, dass er für das Licht-in-den-Slum-bringen-Projekt kein Geld geben würde. Er lebte schließlich gern im Dunkeln. Seine liebste Tageszeit war es, wenn die Nacht über Manhattan hereinbrach. Manche nannten ihn und seine Branche »Blutsauger«. Vielleicht war da ja doch etwas dran, dachte Carter und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Seine Spendengelder verteilte er mit derselben Willkür wie Fortuna ihr Glück, und dieser Roberto würde nichts bekommen. Als er hochsah, blickte er in das nächste Gesicht. Er schielte noch einmal auf seinen Zettel. »Dereck Piemonte, ABS-Avalanche-Airbag Systems« stand dort.
»Dann muss ich mich ja nicht mehr vorstellen«, sagte der Mann, der sich vor ihm auf den frei gewordenen Stuhl gesetzt hatte und dem offenbar nicht entgangen war, dass Carter den Ablaufplan studierte.
Er sah nicht aus wie die anderen Teilnehmer des Speed-Datings, die um Spenden warben, sondern eher wie einer der Spender. Carter bemerkte sofort, dass der Anzug, den sein Gegenüber trug, teuer war. Die Manschettenknöpfe zeigten das Logo von Tiffany. Über der modischen Krawatte ragte ein kräftiger Hals aus dem Hemdkragen heraus. Mit den markanten Gesichtszügen wirkte er wie ein Sportler. Dazu passten die kurz geschnittenen Haare, die mit ein wenig Haarwachs hochgestellt waren.
»Drei, zwei, eins … und los!«, ertönte Patricias Stimme aus den Lautsprechern, und die nächste Runde begann.
»Es geht um Lawinen«, begann der Mann. »Sie kennen sich aus mit Lawinen?«
Sein Lächeln und die etwas zu selbstbewusste Art irritierten Carter. Eigentlich waren die Rollen hier klar verteilt zwischen den Bittstellern und reichen Spendern, zu denen er zählte.
»Was heißt ›auskennen‹?«
»Nun, ich meine, Sie wissen, dass aus einem kleinen Schneeball rasch eine riesige Lawine werden kann, die einen gnadenlos überrollt.«
Carter schüttelte den Kopf. »Kommen Sie lieber auf den Punkt, Ihre Zeit läuft ab«, bemerkte er unfreundlich. Ihm passte die Art seines Gegenübers nicht.
»Also, wir bieten Airbags für Lawinen an. Kleine Rucksäcke, die man wie einen Fallschirm auf dem Rücken trägt. Wenn man merkt, dass die Lawine einen überrollt, zieht man an der Leine, und eine kleine Kompressorflasche pumpt hundertsiebzig Liter Luft in zwei Flügel. Durch das explosionsartig vergrößerte Volumen bleibt man an der Oberfläche. Man wird nicht unter dem vielen Schnee begraben, der einen sonst ersticken würde.« Der Mann machte eine Pause und langte in seine Anzugtasche. Dann legte er eine Visitenkarte auf den Tisch.
Als Carter sie las, war er ein wenig überrascht. Er kniff die Augen zusammen und schaute wieder zu seinem Ablaufplan, demzufolge sein Gesprächspartner Dereck Piemonte hieß. Doch auf der Karte stand »Peter Haye – Finanzberater«. Irritiert blickte Carter auf.
»Der Müsli-Effekt«, fuhr sein Gegenüber unbeirrt fort. »Wenn Sie eine große Schüssel mit Müsli schütteln, bleiben die großen Müslistücke oben, und die kleinen Stücke setzen sich unten am Boden ab. Verstehen Sie? Die Großen gehen nicht unter, nur die Kleinen!« Der Mann, der laut Visitenkarte Peter Haye hieß, starrte ihn an.
»Sie wollen gar kein Geld von mir, oder?«, fragte Carter und verschränkte die Arme. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.
»Oh, doch! Und zwar ziemlich genau vier Milliarden Dollar.«
Carter Fields blickte zur Uhr hinüber. Sie schien langsamer zu laufen als zuvor bei diesem Roberto. Eine Minute war erst um. Er schaute nach links und rechts, wo sich die anderen Teilnehmer des Events in reger Diskussion befanden. Roberto war gerade dabei, seine Wasserflasche unter dem Tisch hervorzuzaubern.
Carter wandte sich wieder seinem dubiosen Gesprächspartner zu. »Wollen Sie mich etwa erpressen?« Seiner Stimme war die Verärgerung deutlich anzuhören; er bemühte sich keineswegs, den aufsteigenden Zorn zu unterdrücken.
Der Mann hob entrüstet die Hände. Dann beugte er sich vor und flüsterte: »So ein Unsinn. Mein Anliegen ist ganz legal. Ich vertrete drei Ihrer Investoren. Patrick Lumenier in Frankreich, Hartholm &
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