Das Los: Thriller (German Edition)
Stück Rom, hier in Sanssouci«, ergänzte der König.
Calzabigi nickte emsig.
»Heute kommt es mir auch merkwürdig vor«, fuhr Friedrich nachdenklich fort. »Nach den vielen Jahren des Krieges ist es ein Wunder, dass heute nicht das Schloss in unserem Rücken in Ruinen steht. Wie töricht wir manchmal in unseren Taten sind. Eine Totgeburt aus Stein.« Bei letzterem Wort verdüsterte sich seine Miene, und er schwieg eine Weile, als würde er über etwas grübeln. »Vielleicht habe ich sie aber auch nur aus Angst vor Verlusten errichten lassen.«
Calzabigi wusste nicht, wie er auf diese offenherzige Bemerkung reagieren sollte, und blieb deshalb stumm. Langsam wurde ihm mulmig zumute. Natürlich hatte er sich nach dem Empfang der Einladung gefragt, was der König so kurz nach der ersten Ziehung wohl von ihm wollte. Auch hatte er sich vorgenommen, endlich die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, um sich Hainchelins zu entledigen. Doch nun führte der König ihn seit über einer Viertelstunde umher, wobei er ihn mit Fragen löcherte, und Calzabigi wurde das Gefühl nicht los, dass Friedrich etwas im Schilde führte.
»Insofern ähneln wir uns«, brach der König das Schweigen.
Calzabigi schluckte. »Wie meint Ihr, Sire?«
»Wir beide haben Ruinen hinterlassen. Ihr dort, wo Ihr mit dem Lottospiel gescheitert seid, ich als Baumeister. Nun wird es an der Zeit, dass wir beide uns wieder den Schlössern zuwenden.«
Calzabigi wusste nicht, was er erwidern sollte.
»Umso größer sind meine Sorgen nach der ersten Ziehung«, fuhr der König fort. »Was sagtet Ihr? Wenn ich mich recht entsinne, spracht Ihr vorhin von einem Gewinn in Höhe von zehntausend Talern. Das ist nicht schlecht. Aber auf das Jahr hochgerechnet auch nicht viel. Sechsmal zehntausend wären, wenn ich richtig rechne, sechzigtausend. Ihr habt mir in Leipzig noch zweihunderttausend Taler im Jahr versprochen. Wenigstens. Und mir dabei Euer Leben verpfändet!« Er machte eine kurze Pause, als habe etwas bei den Ruinen seine Aufmerksamkeit erregt.
Daher weht also der Wind , dachte Calzabigi. »Das habe ich, Sire, und dazu stehe ich«, entgegnete er entrüstet. Auf der Fahrt hier heraus hatte er genügend Zeit gehabt, sich auf Affronts dieser Art vorzubereiten. Auch, weil er in der Jugend ein guter Fechter gewesen war, hatte er sich vorgenommen, mögliche Angriffe nicht nur zu parieren, sondern unvermittelt eine Riposte zu starten. »Als ich Euch diese Summe zusagte, wusste ich aber noch nicht, dass Ihr mir den werten Hofrat Hainchelin an die Seite stellen werdet. Ihr müsst wissen, dass ich ihn sehr schätze. Jedoch braucht die Lotterie aufseiten der Lottokasse eine gewisse Freiheit. Und, mit Verlaub, dieser Hainchelin – er zwängt mich ein. Er ist wie ein zu enges Korsett. Er macht sich zudem lustig über mich, und er fordert Deutsch als Amtssprache. Ohne Übersetzung verstehe ich in meinem eigenen Lottoamt kein einziges Wort! Ohne seine Regeln und seine Bürokratie hätten wir einen vielfachen Umsatz erzielen können. Nehmt ihn mir aus dem Nacken, und ich werde mein Wort nicht nur halten, ich werde es übertreffen!«
Die Rede empfand Calzabigi als gelungen.
Der König stand immer noch ungerührt neben ihm und starrte weiter hinaus zu den Ruinen. Mit einem Male löste er sich aus seiner Erstarrung und blickte sich suchend auf dem Kies um.
»Habt Ihr etwas verloren«, fragte Calzabigi verdattert.
Schon bückte der König sich, hob etwas auf, was Calzabigi für einen abgenagten Hühnerknochen hielt, und schleuderte das Gefundene hinüber zu einer Gruppe von Pferden. Offenbar gehörten die Gäule zu Calzabigis Mietkutsche und warteten nach dem Abspannen darauf, vom Stallknecht abgeführt zu werden. Mit dem Wurf machte die Hündin, die bis eben ruhig neben ihnen gelegen hatte, einen plötzlichen Satz nach vorn und rannte kläffend dem geworfenen Knochen hinterher. Nun begannen die Pferde angesichts des auf sie zustürmenden Hundes nervös zu wiehern, eines bäumte sich auf.
Calzabigi fasste den König erschrocken am Arm. »Passt auf, Sire, Eure geliebte Gefährtin wird auf der Hatz nach der Beute noch zwischen den Hufen der Pferde zertrampelt!« Im nächsten Moment zuckte seine Hand zurück, wusste er doch, dass es verboten war, den König zu berühren.
Friedrich schien dies jedoch nicht zu bekümmern. Kurz bevor das unerschrockene Windspiel die Pferde erreichte, legte der König zwei Finger in seinen Mund und erzeugte einen scharfen Pfiff, der
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