Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
Vom Netzwerk:
Gepäck kümmerte, führte der andere ihn hinein. Calzabigi hatte in Berlin vielen Berichten über Sanssouci gelauscht, und in seinen Vorstellungen hatte sich, nicht nur wegen des Namens, das Bild eines wahrhaftigen Paradieses geformt. Eines Anwesens, in dem der König in der schwülen Hitze des Sommers zwischen den exotischsten Gewächsen lustwandelte. Beim Eintreten erinnerte er sich an den sehnsüchtigen Blick des Königs bei ihrem Gespräch in dessen Winterquartier in Leipzig, als Friedrich von seiner Melonenzucht in Sanssouci gesprochen hatte. Umso erstaunter war Calzabigi nun von der überschaubaren Größe des Schlosses, das man eher für eine Orangerie als für ein Palais hätte halten können. Den Kopf in den Nacken gelegt, schlenderte er langsam weiter und betrachtete dabei das Deckengemälde im Vestibül, auf dem er die Göttin Flora zu erkennen glaubte. Sie schüttete ein Füllhorn voller Blumen über die Besucher aus. Plötzlich spürte er eine Hand an seinem Ärmel: Der Lakai, der ihn geleitete, verhinderte im letzten Moment, dass er gegen eine Statue rannte.
    »Mars!«, stieß Calzabigi erschrocken aus und berührte mit der Hand den Knauf des Schwerts, das die Statue in der Hand hielt.
    Nach wenigen Schritten durchquerten sie eine von vier Säulen gesäumte Tür und betraten einen ganz mit Marmor getäfelten ovalen Saal. Seine Fußtritte hallten von der großen Kuppel wider. Als er seinen Blick nach unten richtete, sah er im Marmorboden eingelassene Intarsien. Es waren Darstellungen von ihm unbekannten Gewächsen. In der Mitte des Saals blieb er stehen und drehte sich staunend einmal um sich selbst. Lebendig erscheinende Putten blickten von einem Sims unter der Kuppel auf ihn herab, einer schien fast auf ihn herabzustürzen.
    Calzabigi hatte von legendären Tafelrunden gehört, die der König in diesem Raum vor dem Krieg veranstaltet hatte. Eine der großen Fenstertüren war leicht geöffnet und gewährte einen Ausblick auf den Garten, der in mehreren Terrassen hinter dem Schloss hinabfiel. Ein warmer Windzug wehte herein. Für einen Tag im September war es heute ungewöhnlich warm, und Calzabigi hatte auf der Fahrt bereits reichlich transpiriert. Unvermittelt blieb er stehen und lauschte. Von irgendwoher drang Flötenspiel herüber.
    »Der König. Er musiziert«, sagte der Lakai und deutete auf eine verschlossene Tür. »Dort sind seine Gemächer. Ich führe Euch ins Audienzzimmer. Euer Gepäck lasse ich in eines der Gästezimmer bringen, die auf der gegenüberliegenden Seite gelegen sind.«
    Dann öffnete er vorsichtig eine der schmalen Flügeltüren. Die Musik wurde lauter. Sie betraten ein weiteres Gemach, dessen mit rosa Seidentapeten verkleidete Wände voller Gemälde waren.
    »Genießt Ihr nur die Kunst, ich werde Euch derweil ankündigen!«, flüsterte der Lakai. Als er die Tür zum nächsten Raum öffnete und hineinschlüpfte, klang die Musik ganz nah.
    Calzabigi schlenderte an einem Kamin vorbei, der trotz des heißen Wetters nach kaltem Rauch roch, und stellte sich vor eines der Gemälde. Es zeigte zwei Liebende und hielt offenbar den Moment fest, in dem der Mann der Frau einen Antrag machte. Bei diesem Anblick dachte Calzabigi an Marie. Je mehr er ihr in den vergangenen Tagen seine Zuneigung offenbart hatte, umso verschlossener war sie geworden. Wie eine der Schildkröten im zoologischen Garten, die sich bei jeder Berührung weiter in ihren Panzer zurückzog.
    Das Flötenspiel verstummte, und Calzabigi glaubte, durch die Wand die Stimme des Königs zu vernehmen. Dann kam auch der Kopf des Dieners wieder zum Vorschein.
    »Kommt herein«, forderte er ihn auf und winkte hektisch mit dem Arm.
    Calzabigi ordnete den Saum seines Mantels, drückte das Kreuz durch und schritt durch die Tür. Sein erster Blick galt dem König. Dieser stand in seiner für ihn typischen, leicht gebeugten Körperhaltung hinter einem Notenhalter. In der rechten Hand bemerkte Calzabigi eine Querflöte, die der König wie ein Zepter hielt. Während Calzabigi sich mit der gebotenen Zurückhaltung dem König näherte, sah er sich selbst in einem der großen Spiegel, die rundherum die Wände schmückten. Darunter standen rosa bezogene Bänke, die zu schmal waren, um tatsächlich als Sitzgelegenheit dienen zu können. Über sich erblickte er einen gewaltigen Lüster, dessen Behang aus echtem Bergkristall zu sein schien. Fast hatte er den König erreicht, als etwas gegen sein Bein sprang und ihn beinahe umwarf. Erschrocken

Weitere Kostenlose Bücher