Das Los: Thriller (German Edition)
Calzabigi zusammenfahren ließ. Die Windhündin stoppte abrupt und machte auf der Stelle kehrt, um mit eingezogenem Schwanz zu ihnen zurückzutrotten.
»Seht Ihr«, sagte der König und deutete mit einem zufriedenen Lächeln auf das Tier. »Alcmène wäre bereit, für einen Knochen alles zu riskieren. Der Jagdinstinkt würde sie es mit vier Gäulen aufnehmen lassen, und sie würde alles daransetzen, um an die Beute zu gelangen. Dafür bewundere ich sie. Ja, ich verehre sie dafür. Und ich beschütze sie, weil ich den Überblick habe. Indem ich sie dann und wann zurückpfeife. Wohlgemerkt: Sie ist nicht dumm. Und sie ist auch keine schlechte Hündin. Ich muss auf sie aufpassen, gerade weil sie ein so bravouröses Exemplar ist.« Der König beugte sich mit steifem Rücken hinab, um der Hündin, die sich an sein Bein schmiegte, hinter den Ohren zu kraulen. »Und so ist es auch mit Hainchelin und Euch. Die Beherztesten benötigen am ehesten jemanden, der über sie wacht.«
Calzabigi verzog beleidigt den Mund. »Mit Verlaub, Sire, Ihr vergleicht mich mit einem … Hund?«, fragte er pikiert.
Anstelle einer Antwort wandte der König sich von ihm ab und steuerte auf den Garten zu. Calzabigi und der Hund folgten ihm sogleich.
»Meine Alcmène ist mehr Mensch als die meisten«, sagte Friedrich harsch, und Calzabigi spürte, dass er seinerseits den König beleidigt hatte. »Es ist ein Prinzip. Jeder benötigt jemanden, der auf ihn aufpasst. Selbst ich. Wie oft wäre ich in die eine oder andere Richtung gelaufen, hätte er nicht andere Pläne mit mir gehabt.«
Calzabigi stolperte beinahe über Alcmène, die mit der Nase im Wind kurz stehen geblieben war.
»Er?«, fragte Calzabigi.
Der König überging die Frage. Er marschierte unbeirrt weiter und beschied seinem Begleiter: »Ob es Euch passt oder nicht. Ihr werdet Euch mit Hainchelin arrangieren müssen. Und Ihr werdet mit dem königlichen Commissario an Eurer Seite dafür Sorge tragen, den versprochenen Gewinn zu erzielen.«
Trotz der abendlichen Wärme erschauderte Calzabigi. Die Worte des Königs klangen wie eine Drohung.
»Im Übrigen klagt Hainchelin genauso über Euch. Er traut Euch nicht«, setzte der König hinzu.
»An mir soll es nicht liegen, Sire«, presste Calzabigi heraus. Es war besser, den König nicht weiter zu reizen.
»Haltet mich nicht für gierig«, fuhr der König fort. »Aber schaut dort hinten, hinter den Bäumen auf dem Hügel. Dort werde ich ein neues Palais errichten. Zum Repräsentieren. Nahe genug an meinem geliebten Sanssouci, um es aufzuwerten, weit genug entfernt, um die Gäste und Sorgen fernzuhalten. Vor dem Krieg haben wir beide Ruinen hinterlassen, und nach dem Frieden müssen wir nun wieder Schlösser errichten. Die Welt soll sehen, dass es uns gut geht.«
Der König blieb vor einer Bank stehen, deren Lehne aus bronzefarbenen Weintrauben bestand. Mühsam ließ er sich nieder, und die Hündin sprang auf seinen Schoß, wo sie sich behaglich zusammenrollte. Calzabigi blieb unsicher vor den beiden stehen.
»Und Ihr, mein lieber Italiener, Ihr werdet mir dieses Palais finanzieren. Mit Eurer Lotterie«, verkündete der König und lehnte sich seufzend zurück. Dann schloss er die Augen, um einen der letzten Sonnenstrahlen, die durch eine Reihe Bäume zu ihnen durchdrangen, auf seinem Gesicht zu genießen.
»Das werde ich«, sagte Calzabigi schnell und blickte noch einmal zu dem Hügel, auf den der König zuvor gezeigt hatte und wo das neue Palais errichtet werden sollte.
Endlich öffnete Friedrich wieder die Augen und blinzelte Calzabigi von unten herauf an, während er begann, dem Windspiel auf seinem Schoß die Nackenfalte zu streicheln.
»Ruine oder Schloss«, sagte der König mit drohendem Unterton. »Ich werde es nicht zulassen, dass Ihr mich ruiniert, und wenn doch, werde ich Euch hinter Schloss und Riegel bringen. Entweder Ihr verlasst mich als reicher Mann – oder nie mehr. Ihr mögt Direktor der Lotterie sein, aber Euer Los liegt in meiner Hand.«
»Und dort ist es gut aufgehoben«, bemerkte Calzabigi mit gesenktem Haupt.
»Was ist mit Euren Plänen für das Tabakmonopol und die Gründung einer Bank? Ihr wolltet sie mir zukommen lassen?«
»Das werde ich!«, antwortete Calzabigi mit raschen Worten. »Die Lotterie hat mich eingespannt. Aber gleich morgen werde ich Sie Euch übersenden.«
Friedrich nickte zufrieden, dann seufzte er einmal mehr, schloss wieder die Augen und missachtete fortan Calzabigis Gegenwart.
Nach
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