Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
ich sang. Keller sind zum Singen nicht meine Lieblingsorte, weil meistens klein und mit niedrigen Decken, aber das hat nichts mit dem Resultat zu tun. Auf die Mischung kommt es an. Ich musste mich über niedrige Decken eben hinwegdenken – das geht so: einfach die Augen schließen und singen.
So blieb ich eine Woche bei Henry, und es entstand meine Lieblings-West-CD Veronika Fischer .
Wenn etwas künstlerisch gelungen ist, heißt das noch lange nicht, dass die Medien darauf einsteigen. »Ich will den Sommer« und »Hey Du« liefen zwar im Radio sehr gut, aber der Verkauf war schleppend. WEA wollte schnell nachschieben. Es sollte eine Kompilation mit vier neuen Stücken entstehen. Ich verstand es nicht – so kurz nach der CD? Mit etwas Einsatz hätte man diesem Werk zu dem Erfolg verhelfen können, den es verdiente. Es ist doch kein Geheimnis, dass auch gute Produktionen unterstützt werden müssen, durch Werbung etwa; ab einem bestimmten finanziellen Einsatz – so sagt man – ist der Erfolg geradezu garantiert. Aber für meine Plattenfirma galt, dass ihre Produkte Selbstläufer sein sollten, und statt für einen entsprechenden Werbeetat gab man das Geld lieber gleich für die nächsten Aufnahmen aus.
Aber wer weiß, vielleicht stand hinter dieser Haltung auch ein Versprechen, das sie dem Produzenten gegeben hatten, den sie mir diesmal vorsetzten. Es handelte sich um Edo Zanki. Ich nahm es zur Kenntnis und versprach mir nicht allzu viel davon. Edo, Solist, Komponist, Texter und Produzent in Personalunion, in der Branche als »ewiger Geheimtipp« gehandelt, setzte statt eines Gesamtkonzepts auf die Wirkung von Einzelstücken. Was die Stücke anging, hatte er sehr konkrete Vorstellungen. Ein Fremdwerk und drei Kompositionen aus seiner eigenen Feder sollte ich singen, wobei das Fremdwerk den kommerziellen Durchbruch bringen sollte: »Sehnsucht nach Dir« (eine vor Eigenständigkeit strotzende Refrainzeile). Edos eigene Kompositionen waren zwei Duette namens »Nicht zu retten« und »Wie geht’s weiter«, außerdem das Sololied »Wie Treibholz am Ufer«. Ich fand sie alle drei nicht gerade großartig und hegte den Verdacht, dass diese Stücke wohl schon eine Weile in seiner Schublade lagerten. Zumindest die Texte wollte ich mit mir vertrauten Lyrikern überarbeiten. Mir gegenüber äußerte Edo sich nicht dazu. Aber kurze Zeit später meldete sich der A&R von WEA bei mir. Mein Produzent sei der Meinung, dass die Künstlerin ihm nicht vertraue, was keine gute Grundlage für eine Zusammenarbeit sei. Edo hatte sich also beschwert – gepetzt wie ein Klassenstreber. Offenbar wollte er seine Autorenlizenzen mit niemandem teilen. Und überhaupt, wie ich mir das denn nun vorstelle, so der A&R weiter am Telefon: Man hätte Zanki für die vier Stücke schließlich das Budget einer kompletten CD-Produktion zugesichert, die Summe habe er auch schon eingestrichen.
Ich wusste von alldem nichts, hatte dazu überdies nichts zu sagen, sondern es zur Kenntnis zu nehmen und zu funktionieren. Die Arbeit machte ich dann mit Zankis Bruder Wilko, den ich durchaus mag. Die Duettparts sang jeder für sich. Genauso klingen sie auch. Man verdiente Geld, alles andere war den Herrschaften egal. Musikmachen unter solchen Voraussetzungen und mit solchen Umgangsformen brauche ich nicht. Es ist für mich das Gegenteil von gutem Produzieren und Können.
Als ich Jahre später, die DDR war bereits verschwunden, in Cottbus einen Auftritt im angesagten Liveklub »Alte Weberei« machte, wie jedes Jahr vor ausverkauftem Haus mit meiner neuen Band, erzählte mir der Geschäftsführer: »Letzte Woche war Edo Zanki hier, es war kaum Publikum da.«
Zanki sei sehr enttäuscht gewesen.
Man trifft sich immer zweimal, dachte ich. Und wie die Zeiten sich doch ändern…
TEIL IV
ZEITENWENDE
Es war ein Land gebaut auf Sand und einem Traum und als das Land verschwand, blieb nur der Traum, auf dem es stand. 7
Kurt Demmler
7 »Es war ein Land« (Auszug), Text von Kurt Demmler, Musik von Franz Bartzsch, ©Edition Westwind, Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Edition Westwind
Der Mauerfall
Anfang November 1989 lauschte ich sorgenvoll den Nachrichten über die großen Demonstrationen vor allem in Leipzig. So großartig der wachsende Widerstand gegen das Funktionärssystem in meiner Heimat auch war: Es war damals überhaupt nicht ausgemacht, dass die Auflehnung der Menschen keine Militäreinsätze provozieren würde. Dass die Revolution friedlich
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