Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Modern Talking und Blue System produziert hat) sollten bei insgesamt drei Songs den Ton angeben: beim bereits erwähnten »Ein Wort zuviel« (Text: Manfred Maurenbrecher) sowie bei zwei Coverversionen – »Sei einfach du« von Tim Norell (»The way you are«, deutscher Text von Michael Kunze) und »Ein Gefühl wie das Leben« von Ric Ocasek (»Motion in Motion«, mit einem Text von Uwe Chappell). Die Bearbeitung eines erfolgreichen Liedes ist im Grunde eine sichere Bank, Walter und Luis waren zwei richtige Profis und nett dazu. Luis kochte zum Abschluss der Arbeit ein leckeres spanisches Hühnchen mit ordentlich Knoblauch, kein Vampir hätte sich danach an mich herangetraut. Dennoch hatte ich irgendwann das Gefühl, dass alles gleich klingt. Luis machte zwar den runderen Sound, und meine Stimme klang besser, vordergründiger. Aber die Arrangements wirkten weich gespült. Mit »Sei einfach du« hatte ich ohnehin meine Schwierigkeiten, der Song war ein Zugeständnis – ich mochte das Stück überhaupt nicht, musste es aber machen, um die Produktion fertig zu bekommen, WEA bestand darauf. Und Franz’ Komposition »Ein Wort zuviel« rutschte jetzt richtig ab – seine Vorgabe wurde viel zu lasch umgesetzt.
Wolfgang Loos’ Produktion war dagegen rockiger, lebendiger, er akzeptierte den Einfluss meiner Musiker. Als ausgebildeter Skilehrer verstand er viel vom Umgang mit Energien – vom Verhältnis zwischen Schwungnehmen und Abbremsen. Leider hatte auch er ein Problem, nämlich das, meine Stimme ins rechte Verhältnis zu setzen. Sie ist bei vielen Songs einfach zu leise. In den Achtzigern neigte man in den Studios generell dazu, Stimmen einzuengen. Die Individualität des Stimmklangs wurde dadurch gekappt. Bei einem anderen Mischverhältnis hätte die Emotionalität des Gesangs die Zuhörer viel direkter erreicht. Ich wage zu behaupten, dass sich das auf den Erfolg ausgewirkt hat.
Wenn sich all diese Hürden vor dem Beginn einer Zusammenarbeit vorhersehen ließen, würde man gegensteuern und die gröbsten Widerstände leicht überwinden können. Auch wenn uns das hier nicht gelungen ist, denke ich, dass Spiegelbilder den Anfang meiner neuen musikalischen Emanzipation an der Seite von guten Kreativpartnern markiert. Ich habe auf diesem Album versucht, mich Berlin von seiner westlichen Seite aus zu nähern – und nach langer Zeit einmal wieder aus meinen Gefühlen heraus gesungen. Leider war die LP, was den kommerziellen Erfolg anging, kein Kracher. »Ein Gefühl wie das Leben« aber lief gut im Radio. Kunst kann man zum Glück nicht berechnen. Und nicht alles ist gut, was erfolgreich läuft. Nur: Um »gut« geht es in diesem Geschäft schon lange nicht mehr…
Bei WEA war inzwischen Manfred Zumkeller als Geschäftsführer eingestiegen. Im Gegensatz zu Siggi Loch ein reiner Geschäftsmann, der mit mir nichts anzufangen wusste. Ich war nicht sein Kind, wir blieben uns fremd. Aus seiner Ecke kam denn auch der Vorschlag, mich mit Dieter Bohlen zusammenzubringen. Offensichtlich konnten sie mich wirklich nicht einordnen, zwischen Bohlens und meiner Auffassung lagen Welten, was das Musikmachen betrifft. Es wäre nicht gut gegangen, selbst wenn WEA dieses Abenteuer finanziert hätte. Ich lehnte ab.
Ich begann mir klarzumachen, dass ich mich gerade in einem Jahrzehnt des Suchens, der Reifung befand. Es scheint, wenn ich zurückblicke, tatsächlich eine Art Zehnjahresrhythmus in meinem Leben zu geben.
Zehn Jahre Kindheit, zehn Jahre Heranwachsen, beginnendes Studium. Ab zwanzig mit Bands auf den Bühnen, große Erfolge. Ab dreißig der Wechsel in den Westen, ein eigenes Kind, eine neue Welt. Ab vierzig die Wiedervereinigung, Rückkehr in die Musikwelt des Ostens mit großem Erfolg, endlich Gesamtdeutschland. Ab fünfzig dann die veränderten Bedingungen in der Musikwelt, die beginnende Abnabelung meines Sohnes, Einstieg in den Euro. Ab sechzig das Älterwerden als Thema, Wahrheit annehmen, »Das Lügenlied vom Glück«.
Damals, Mitte der Achtziger, eroberte ich mir künstlerisch einen erwachsenen Umgang mit den Dingen, mit meiner Stimme, der Musik und dem Wort. Ich entschied, wie eine Aufnahme zu geschehen hatte, wählte die Themen und Stilrichtungen für die Lieder und suchte mir Mitstreiter für die Verwirklichung. In gewisser Weise war ich nah am Höhepunkt meiner Kraft, meines Könnens. Gleichzeitig musste ich loslassen lernen.
Benjamin war jetzt zehn Jahre alt und spielte lieber, anstatt zu lernen, schaffte aber die
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