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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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»Beschaffungsaufgaben«, sondern überhaupt das Management der Band. Wir brauchten einen Menschen, der sich um alles kümmerte, wir selbst hatten keine Ahnung von solchen Dingen – wie auch, wir waren Musiker. Für ihn war das eine neue Rolle, doch wenn László eines war, dann mutig und risikofreudig. Manchmal vielleicht ein bisschen zu sehr, weil er Grenzen nicht rechtzeitig erkannte, doch auch das war damals hilfreich. Die Musikwelt war für ihn eine Chance, die Aufgabe reizte ihn.
    Außerdem konnten wir zwei so mehr Zeit miteinander verbringen. Wenn ich mit jemandem zusammengekommen wäre, der selbst nicht gern reist und Spaß daran hat, von einem Auftritt zum nächsten zu fahren – wäre das gut gegangen? Welchem Mann gefällt es schon, wenn seine Frau jedes Wochenende und manchmal auch länger in der Weltgeschichte umherreist?

    Im Sommer 1974 machten uns ungarische Musikerfreunde von László, die manchmal bei uns in Berlin zu Gast gewesen waren, wenn er Auftritte für Skorpió in der DDR organisierte, ein sensationelles Angebot: Wenn wir wollten, könnten wir unseren ersten Liveauftritt in Ungarn haben – als Vorgruppe von Omega. Im Kis-Stadion vor ausverkauften Rängen.
    Omega, bis heute eine berühmte ungarische Band, war damals schon durch halb Europa getourt. Das war für uns die große Möglichkeit, aus dem Probenraum rauszukommen und endlich auf die Bühne zu gehen! So eine Chance lässt man sich doch nicht entgehen. Gleichzeitig hatte ich ordentlich Fracksausen. Kein Schwein kannte uns in Ungarn, nur ein paar Musikerkollegen vom Hörensagen. Wir hatten unser neues Programm zudem noch nie ausprobiert, es war sozusagen unschuldig, wir hatten keine Möglichkeit, die Reaktionen des Publikums einzuschätzen. Und außerdem sang ich deutsch, alle Stücke waren den Ungarn fremd. Ich wusste auch, dass die deutsche Sprache dort nicht unbedingt als schön empfunden wird.
    Wie sollten wir uns also entscheiden? Kneifen? Oder mutig sein?
    Wir waren mutig! Musik hatten wir, unsere ganz eigene und durchaus keine schlechte, darauf konnten wir vertrauen. Wir hatten Songs wie »Ich bin die Fischer«, »Blues von der letzten Gelegenheit«, »Guten Tag«, »Auf der Wiese«, »Klavier im Fluss«, »Die Zeit hat immer Eile« – es musste ja auch rocken –, und »In jener Nacht« war damals, glaube ich, auch schon dabei.
    Nun ging es ans Packen. Wir wussten, dass wir für den Auftritt die Anlage von Omega benutzen durften, wenngleich in etwas abgespeckter Form. Schließlich waren sie die Stars. Instrumente hatten wir, was brauchten wir noch? Bühnenkleidung! Wir konnten ja nicht in unseren Straßenklamotten auftreten, sondern wollten als Band zu erkennen sein. Nur wie? In der DDR konnte man sich nicht so ohne Weiteres Kleidung kaufen, schon gar nicht für die Bühne. Selbst Anzüge waren ein Problem. Jahre später wurde ich bei solchen Angelegenheiten von der »Generaldirektion für Unterhaltungskunst« unterstützt, eine Designerin entwarf die Garderobe und ließ sie schneidern. Aber so weit war es noch nicht …
    László hatte die glänzende Idee, Strickstoffe in Ungarn anfertigen zu lassen. Dafür ließ er seine Kontakte spielen. Unterschiedliche Farben sollten es sein – so jedenfalls unsere Vorstellung, wir hatten doch keine Ahnung davon. Der Stoff wurde also bestellt und in die DDR gebracht. Nun wurde geschneidert. Grausilberner Strickstoff für Franky (Drums), Goldgelb für »Örbse« (Gitarre), ein kräftiges Grün für Ecke (Bass) und nicht zuletzt ein schönes Rot für Franz an den Keyboards. Ich hatte Glück, denn für mich fanden wir in der DDR einen leichten Stoff in Silbergrau, aus dem ein Hosenrock angefertigt wurde, knielang, das Oberteil schlicht und luftig wie ein Shirt. Dazu wollte ich schwarze Stiefel tragen. Bei der Anprobe fühlte ich mich ganz gut darin. Aber meine Kollegen konnten einem leidtun. Franz sah aus, als hätte er einen roten Trainingsanzug an, und Ecke leuchtete wie ein Glitzerfrosch (verzeih mir, Ecke, aber das war auch deine Meinung). Hinzu kam, dass die Jungs nicht wirklich durchtrainiert waren. Strickstoffanzüge mit »Bäuchlein«? Und das Ganze im Sommer? Kein Wunder, dass wir den Kreationen den Namen »Assietten« verpassten. Wir lachten oft über diese Kleidung. Aber auch der Kaiser in Des Kaisers neue Kleider fand sich klasse, es kommt nur auf die innere Einstellung an. Und die war bei uns unschlagbar.

Veronika Fischer nach dem Konzert im Kis-Stadion in Budapest im Sommer

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