Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Leitung in ihrer Berliner Altbauwohnung.«
Dieser letzte Satz spricht Bände … Denn so großartig das alles war, so präsent blieben die alltäglichen Probleme. Und neue kamen dazu: Manchmal trug ich schwer an der Verantwortung, die der plötzliche Erfolg mit sich brachte. Für vier Musiker musste ich sorgen, dazu für László und mich sowie für drei Techniker – neun Personen plus deren Familien. Fiel ich aus, brachen die Einnahmen weg, die wir zum Leben brauchten. Und während László sein Büro in die Post verlegen musste, weil wir zu Hause in der winzigen Wohnung keinen Telefonanschluss hatten – und keine Zentralheizung (nur Ofenheizung) und kein Bad!–, erwartete man von mir, dass ich mich »gesellschaftlich engagierte« und vernünftige, angemessene Erklärungen abgab über das Verhältnis von Jugend und Staat, über Pflichten und Freuden. Kein falsches Wort, kein Wort zu viel oder zu wenig.
So sagte ich auf die Frage eines Interviewers der Zeitschrift Tribüne am 6. Februar 1976, warum ich dem Interview nur zögernd zugestimmt hätte: »Wissen Sie, auch Erfolge und sicher ebenso Interviews haben ihre Schattenseiten. Sie können manchmal mehr schaden als nutzen. Man hat in jüngerer Zeit etwas viel über uns geschrieben. Ich möchte mich lieber gern etwas zurückhalten.«
Als dann eine zweite Frage um Missstimmungen anlässlich der großen Fernsehsendung Einmal im Jahr gestellt wurde, bei der wir wieder mal Erster geworden waren mit dem frechen Lied »Auf der Wiese«, antwortete ich so, dass ich noch heute den Druck empfinde, der damals aufkam und wuchs. Ein Druck, möglichst ehrlich und geradeaus zu sein und es uns trotzdem nicht mit zu vielen zugleich zu verderben: »Wir wählen uns ja nicht selber aus. Vor allem jugendliche Zuschauer, so wissen wir, haben tatkräftig für uns geschrieben. Das brachte den Sieg. Doch wir bemühen uns und hoffen, dass wir auch die anderen Hörer gewinnen. Wir wollen durchaus nicht nur für jugendliches Publikum singen und spielen.«
Man musste sich so oft rechtfertigen. Ich bekam bald das Gefühl, dass ich nicht mehr mir selbst oder der Musik, die wir spielten, gehörte, sondern eigentlich dem Staat. Für alles Mögliche war ich plötzlich verantwortlich. Hatte ich mir, was ich sagte, auch gründlich genug überlegt?
Während ich für immer mehr Menschen ein Stück vertrautes Leben wurde, verlor ich selbst manchmal das selbstverständliche Gefühl für die Heimat. Das Zuhause war nicht mehr meins. Da tat es gut, wenn zwischendurch mal ein Artikel erschien, bei dem es nur um die Musik ging: »Oschersleben: Zum Gastspiel von Veronika Fischer & Band im völlig ausverkauften Kreiskulturhaus gab es die einhellige Meinung des zumeist jugendlichen Publikums: Das war große Klasse! Das Konzert der Gruppe entsprach auch in Aufmachung und Lautstärke allen Ansprüchen an eine Spitzengruppe der Republik.«
Oder wie im Musikexpress : »Bei den Jugendlichen in Lauchhammer haben die Veranstaltungen, die die FDJ und die Stadtväter organisieren, eine gute Tradition. Bekannte Beatgruppen sind hier schon gewesen, auf Veronika Fischer & Band haben sich sehr viele gefreut. Was tun, wenn nur ein Raum mit 400 Plätzen vorhanden ist? Die Band entscheidet, zweimal zu spielen.«
Oft ging es um viel persönlichere Dinge. Das Soldatenmagazin wollte tatsächlich von mir wissen: »Wie hoch ist dein Blutdruck? Bist du fahrtüchtig? Was sagst du zur Taubenvermehrung in Berlin? Wie lange putzt du dir morgens und abends die Zähne?«
Und die Neue Berliner Illustrierte fragte im Herbst 1975: Du hattest in Dresden beim Internationalen Schlagerwettbewerb ein ganz braves Kleid an, dafür aber eine etwas verrückte Frisur. Behältst du diesen Wuschelkopf? »Das war ein bewusster Gegensatz: einfaches Kleid und – ihr habt ganz recht – die Frisur etwas verrückt. Ich werde sie nur bei besonderen Anlässen wieder so tragen. Es war übrigens keine Perücke.« – Was können wir sonst als Neuigkeiten über euch mitteilen? – Wenn diese NBI erscheint, sind wir mit der Berliner Delegation der FDJ beim Treffen der Jugendorganisationen der sozialistischen Hauptstädte in Prag.«
Ich versuchte, allen gerecht zu werden, kam aber zunehmend mit den verschiedenen Erwartungen an mich nicht zurecht. Es war klar, dass ich diejenigen, die auf unsere Art (wir legten damals noch nicht so viel Wert auf das Outfit, die Äußerlichkeiten – heute ist es mitunter wichtiger als die Musik) und unsere Songs abfuhren,
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