Das Lustschiff
daran liegen, dass sein Herz für diese Frau schlug. Sie war es, die er besitzen wollte. Aber ob Brigit für etwas Festes bereit war, daran zweifelte er …
Gegen Morgen erreichte die Sea Love mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zwanzig Knoten die Hafenstadt Southampton. Glühende Streifen durchzogen den bewölkten Himmel, der die Farbe eines sanften Magenta angenommen hatte. Die Menschen drängten sich an die Reling, um den Hafen des County Hampshire zu bewundern, von dem aus die Titanic im Jahr 1912 in See gestochen war. Bis zum Nachmittag blieb die Sea Love im Hafen, und so hatten die Passagiere die Gelegenheit, an Land zu gehen, Einkäufe zu machen oder sich die historische Stadt an der Südküste Englands anzuschauen. Josh tat nichts von all dem. Er blieb an Bord, dachte an das aufregende Erlebnis mit Carolin Winter zurück. Es hatte etwas in ihm ausgelöst, was er schon lange nicht mehr verspürt hatte. Sehnsucht. Begehren. Aber von einer anderen Qualität als bisher gekannt. Einer Qualität, die intensiver war, durchdringender, sein Inneres berührte.
Als die Sea Love nach mehreren Stunden dann den Anker wieder einholte, machte er sich auf den Weg in den Fitnessbereich, um sich ein wenig abzulenken. Sport war da die beste Medizin. Er probierte die Kraftgeräte aus, entschied sich dann aber für Ausdauertraining. Etwas für die Kondition zu tun war jetzt genau das Richtige. Er stellte das Laufband auf die höchste Stufe ein und lief los, immer im selben Rhythmus, an den er seinen Atem anpasste. Um diese Zeit war der Fitnessbereich recht leer, die meisten Gäste hatten sich wohl in die zahlreichen Bordrestaurants zurückgezogen, um das Abendessen einzunehmen. Ihm war das nur recht. Manchmal zog er die Einsamkeit dem Trubel vor. Es tat gut, mal ein wenig bei sich selbst zu sein. Dann jedoch bemerkte er den seltsamen Kerl, der an der Bar saß, sich einen Drink gönnte und dabei unverhohlen zu ihm herüberstarrte, ihn genau beobachtete.
Wäre Josh ein normaler Passagier gewesen, dann hätte er sich dabei vielleicht nichts gedacht. Aber Josh war eine Person des öffentlichen Lebens, wenngleich sein Gesicht zum Glück nicht allzu bekannt war. Zumindest nicht in europäischen Gefilden. Der Typ erinnerte ihn an einen alten Freund. Cody hatte dieselben strohblonden Haare und Pausbacken gehabt. Denselben verstohlenen Blick. Josh erinnerte sich an den Verrat seines besten Freundes, als wäre es gestern gewesen. Sie hatten es geliebt, gemeinsam mit seiner Jacht in See zu stechen, wilde Partys zu feiern, Saint Tropez unsicher zu machen.
Es war eine tolle Zeit gewesen. Jeden Abend hatten sie ein anderes Mädchen mit aufs Zimmer genommen. Josh hatte Cody vertraut, ihm Intimes erzählt. Und dann hatte das alles plötzlich in der Presse gestanden:
»Das Lotterleben des Erik Osburne« »Leidet Erik Osburne unter Sexsucht?« »Wer ist die Neue an Erik Osburnes Seite? Wird er auch ihr das Herz brechen?«
Sein ganzes Leben war plötzlich öffentlich geworden. Cody hatte ihre gemeinsamen Erlebnisse zu Geld gemacht, sich eine goldene Nase verdient, und ihm war schmerzlich klar geworden, dass Erik Osburne niemals echte Freunde haben würde. Niemanden, dem er vertrauen konnte.
Deswegen hatte er Josh Sullivan erschaffen. Sein Alter Ego, mit dem er ein halbwegs normales Leben führen konnte. Ein Leben, auf das er unter keinen Umständen verzichten wollte, das er sich niemals kaputtmachen lassen würde. Schon gar nicht von schmierigen Reportern, wie Cody einer war.
Sein blonder Klon an der Bar weckte Joshs Misstrauen. Und da er auch in den nächsten zwanzig Minuten nichts anderes tat, als Josh anzustarren, beschloss der, die Sache auf seine Weise zu regeln. Er stellte das Gerät aus, legte sich das Handtuch um die Schultern und lief zu der Sportbar hinüber.
»Hey«, grüßte der junge Mann und tat ganz freundlich.
»Hey«, erwiderte Josh, gab dem Barmann ein Zeichen, dass er auch eine Erfrischung wollte.
»Ganz schön ausgepowert, wie?«
Josh nickte nur, nahm einen Schluck, dann straffte er die Schultern, baute sich zu voller Größe auf. »Hör mal, ich mag es nicht sonderlich, wenn man mich beobachtet«, erklärte er dem Blonden. Dafür hatte er Gründe, die er gewiss nicht einem Fremden erörtern würde.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich dieser. »Ich hab das gar nicht bewusst gemacht, war in Gedanken.«
So hatte das aber nicht ausgesehen. »Dann lass das ab jetzt sein, wenn du keinen Ärger willst.« Für
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