Das Luxemburg-Komplott
Terror nur ein bisschen falsch ist …«, knurrte Jogiches. Er wandte sich an Zacharias. »Als Sie uns in Dahlem herausgehauen haben, da haben Sie Ihren Auftrag erfüllt, den aus Moskau?«
Zacharias zuckte die Achseln. »Darüber habe ich nicht nachgedacht. Es war richtig, das genügte.«
Jogiches lächelte. »Ich würde Sie am liebsten aus der Kommission verjagen. Aber täte ich es, wäre es ein Triumph für Friesland. Deshalb finde ich mich damit ab, dass Sie Bolschewistenzögling im Amt bleiben. Das ist zwar ein Anachronismus, aber mir scheint, Revolutionen sind so.« Er klang nicht sonderlich ärgerlich.
Rosa kehrte zurück. Zorn stand in ihrem Gesicht. »›Das entscheidet die Zentrale, dann die Volkskommissare, und ich werde vorschlagen, was die Zentrale beschließt.‹ Das sagt er, als hätte er sich jemals an Beschlüsse von irgendwem gehalten.«
»Wenn ich noch etwas sagen darf«, sagte Zacharias und fuhr gleich fort: »Über etwas viel Wichtigeres haben wir noch gar nicht gesprochen. Ich habe keinen Zweifel, dass Moskau bald einen Mordauftrag erteilen wird. Da war einer bei mir vor kurzem, der fabulierte über die Chancen, die sich ergäben, wenn die Genossin Luxemburg von Konterrevolutionären ermordet würde.«
»Und der kam aus Moskau?« fragte Clara Zetkin atemlos.
»Ja.«
»Steckt Friesland mit drin?« fragte Jogiches.
»Ich glaube nicht. Dieser Mann, Bronski nennt er sich, wie immer er heißen mag, dieser Mann hat mich darauf angesprochen. Beachtet man die Regeln der Konspiration, dann haben sie mich ausgesucht, den Anschlag zu begehen. Sie haben getestet, ob ich bereit wäre. Die Tscheka wird niemand anderen beauftragen, noch nicht jedenfalls, bevor sie nicht sicher ist, dass ich den Auftrag verweigere. Dann komme ich mit auf die Liste. Das hat der werte Genosse Bronski mir auch erklärt.«
»Dann müssen Sie den Auftrag annehmen«, sagte Jogiches. Clara Zetkin schnaufte, Rosa schaute ihn erstaunt an. »Ist doch besser, man kennt seinen Mörder.« Jogiches lächelte. »Außerdem lebt der Genosse Zacharias dann länger.«
»Wir sollten es veröffentlichen«, sagte Clara Zetkin.
»Damit wir uns lächerlich machen?« fragte Rosa. »Die werden es nicht zugeben, Zacharias ist unser einziger Zeuge, aber niemand wird ihm glauben. Die Russen, der heilige Lenin gar, wollen deutsche Revolutionsführer, Volkskommissare, ermorden? Das kann sich nur die Reaktion ausgedacht haben, um Zwietracht zu säen. Weil sie weiß, dass die deutsche Revolution die Unterstützung der Sowjetmacht braucht und die Russen die Hilfe der Deutschen. Nein, das ist perfide: Wenn wir das bekannt geben, verschlechtern wir unsere Lage.«
»Und was soll ich Däumig erzählen über diese Figur aus Lichtenberg, die den Mordanschlag, der keiner war, auf die Genossin Luxemburg begangen hat?«
»Die Wahrheit«, erwiderte Rosa schnell. »Einfach die Wahrheit. Däumig ist Ihr Vorgesetzter. Sie brauchen ja keine Mutmaßungen zu äußern. Die Genossen von der USP sind schlau genug und kommen selbst auf das, worauf man kommen muss.«
Dann wurden sie zurückgerufen zur Sitzung. Die Zentrale beschloss auf Antrag Liebknechts, dem Rat der Volkskommissare vorzuschlagen, die Untersuchungskommission wegen Befangenheit aufzulösen und die Aufklärung des Falls in die Hände der Miliz zu legen. Zacharias wartete, ob er aufgefordert würde zurückzutreten, aber davon war nicht mehr die Rede. Womöglich hatte Liebknecht mit Friesland und Genossen einen Kompromiss ausgehandelt. Alle wussten, dass es ohne die Zustimmung der USP-Volkskommissare keinen Regierungsbeschluss geben würde.
Und Zacharias wusste, dass die Moskauer sich nun überlegen würden, wie sie ihn loswerden konnten. Oder sie würden ihm die Pistole auf die Brust setzen. Er war ein Zeuge, er hatte mit Lenin und Dserschinski gesprochen, vielleicht unterstellten sie, er verstehe seinen Auftrag anders. Und hatten nicht Lenin und Dserschinski ihn ermahnt, sich von niemandem hineinreden zu lassen? Lenin ging manchmal ungewöhnliche Wege, das wussten auch Friesland und Konsorten. Aber was wusste Radek? Welches Spiel spielte er? Wenn Radek in Lenins Namen auftrat, dann glaubte ihm jeder. Und wenn Radek anweisen würde, Zacharias zu beseitigen, dann würden sie es versuchen. Was immer andere planten, Zacharias wusste, es wurde eng. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit.
Er ging zu Fuß zum Vorstand der USP am Schiffbauerdamm. Ein eisiger Wind fegte durch die Straßen. Wo eine der wenige Laternen
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