Das Luxemburg-Komplott
anzuziehen.«
»Natürlich nicht«, sagte Jogiches. »Aber doch nicht mit Terror.«
»Aber wenn es ohne Gewalt nicht geht? Wenn es uns nicht gelingt, die Arbeiter zu überzeugen?« fragte Rosa mit leiser Stimme.
»Die falschen Zweifel zur falschen Zeit«, erwiderte Jogiches. Er mühte sich ruhig zu bleiben. »Sie werden es nicht wagen, sich gegen dich zu stellen.«
»Ein frommer Wunsch. Sie haben uns auf dem Parteitag eine Niederlage bereitet, als es um die Wahlen zur Nationalversammlung ging. Sie haben sich verrannt in diesen Leninkult. Friesland müsste doch wissen, was es bedeutet, wenn wir mit dem Terror anfangen.«
»Vielleicht bleibt uns keine Wahl.« Clara Zetkin schaute Rosa an. »Schau, in der Französischen Revolution …«
»Ja, ja, da sind die Köpfe gerollt. Aber ist es das, was diese Revolution ausmacht? Gewiss nicht. Lasst uns praktisch überlegen. Wenn Friesland und Pieck eine Abstimmung haben wollen, werden sie die bekommen. Und sie werden sie gewinnen. Liebknecht wird sich daran gebunden fühlen. Seit er Regierungschef ist, hält er sich erst recht für den lieben Gott. Er schwebt hoch droben und schaut herab auf uns Sterbliche. Früher hat er auf mich gehört, meistens jedenfalls. Jetzt hört er nur noch auf seine Eingebungen. Er wird den Beschluss der Zentrale jedenfalls in der nächsten Sitzung des Rats der Volkskommissare als Regierungsbeschluss vorschlagen. Eigentlich darf ich dort nicht dagegensprechen, weil ich dann die Parteidisziplin verletzen würde. Aber wie oft hat Karl auf sie gepfiffen. Und Sie, Genosse Zacharias, Sie gehen heute abend noch zu den Unabhängigen.«
»Ich werde dort mein Möglichstes tun. Eigentlich sollte es genügen, die bisherigen Ergebnisse der Kommission darzustellen. Das kann ich jetzt ja ohne Rücksichtnahme, nachdem alles bekannt geworden ist.«
»Und suchen Sie diesen Mann aus Lichtenberg?«
»Natürlich. Aber ob wir ihn je finden? Vielleicht schaut er sich schon die Radieschen von unten an.« Zacharias drängte es, sich zu offenbaren. Der Druck belastete ihn, er musste sich für eine Seite entscheiden.
»Ich glaube, Friesland handelt in Moskaus Auftrag. Die sehen das natürlich als Unterstützung der Revolution in Deutschland«, sagte Zacharias.
Rosa schaute ihn streng an. »Wissen Sie mehr darüber?«
Zacharias spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. »Eigentlich gehöre ich auch dazu, aber mir hat man einen eigenen Auftrag gegeben. Einen Spezialauftrag.«
»Wer ist man?« brummte Jogiches. Seine Zigarette glühte rot.
»Die Tscheka und Lenin.«
»Lenin und Dserschinski?« fragte Jogiches.
»Ja.«
Jogiches pfiff leise. »Sieh mal, der Genosse Wladimir Iljitsch will ein bisschen nachhelfen.«
»Das ist doch nichts Neues«, sagte Rosa. »Was genau ist Ihr Auftrag?«
»Ich soll auf Sie aufpassen.«
Sie lachte schrill.
»Und melden, was Sie planen.«
Sie hörte auf zu lachen.
»Und ich soll an Dserschinski berichten.« Er überlegte, ob er Bronski erwähnen sollte, aber das hätte die Lage nur noch verworrener gemacht. »Und dann wurde ich aufgefordert« – er wollte Rosa sagen: Sie zu beeinflussen, aber das verschluckte er –, »Einfluss zu nehmen.«
»Was für einen Einfluss?« Jogiches ärgerte sich.
»Na ja, dass die Partei bolschewistische Methoden anwenden sollte. Die Macht ergreifen, Diktatur, Terror. Lenin macht sich Sorgen um die deutsche Revolution. Er fürchtet, die Sowjetmacht kann sich allein nicht halten. Auch deshalb will er jede Hilfe geben, Nahrungsmittel, Waffen, Geld, die Rote Armee …«
»Und die Tscheka unseres Freundes Feliks Edmundowitsch«, sagte Rosa.
»Wir sollten das ausnutzen«, sagte Jogiches.
»Indem wir von den Russen nehmen, wovon sie zu wenig haben?« fragte Rosa.
»Darüber zerbreche ich mir jetzt nicht den Kopf. Und auch nicht darüber, ob die Hilfe an Bedingungen geknüpft ist, Terror gegen Brot oder ähnlich.«
»Wir sprechen später darüber. Wir müssen jetzt überlegen, wie wir in der Zentrale weiterkommen. Ich werde zu Karl gehen und ihn bitten, der Untersuchungskommission noch Zeit zu geben. Der Genosse Zacharias muss ohnehin noch bei der USP berichten. Däumig ist sein Vorgesetzter, auch wenn der sich um nichts kümmert.«
Jogiches nickte, und sie verließ den Raum. Clara Zetkin saß da und seufzte. »Dass wir uns streiten müssen, jetzt, wo die Revolution endlich begonnen hat. So ganz falsch liegt Friesland doch nicht, auch wenn ich natürlich mit Rosa solidarisch bin.«
»Wenn
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