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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Leninis ten« – sie zog das Wort in die Länge – »betrachten, ich hörte diesen Begriff gestern zum ersten Mal, möchte ich Ihnen erzählen, dass ich den Genossen Lenin recht gut kenne, gewiss besser als alle anderen an diesem Tisch. Sie alle wissen, dass ich mit diesem Genossen in vielen Dingen nicht übereinstimme. Aber ich will doch sagen, dass der Meister seine Jünger um Welten überragt. Vor allem in dieser Hinsicht: Wenn Lenin sich irrt oder das Zentralkomitee seiner Partei, dann bemühen sie sich, diesen Irrtum zu beheben, es besser zu machen. Nein, nein, nicht in meinem Sinne, ganz in ihrem. Aber sie berichtigen sich, und sie tun es schnell. Eine revolutionäre Regierungspartei muss sich bei Strafe ihres Untergangs immer schnell berichtigen, es sei denn, sie ist fehlerfrei.«
    Leises Gelächter.
    »Sie haben sich verrannt, Genosse Friesland. Sie nehmen von der Wirklichkeit nur wahr, was dem verqueren Bild in Ihrem Hirn entspricht. Marx sagt, das Sein bestimmt das Bewusstsein. Das haben viele falsch verstanden, ohne mich länger darüber auslassen zu wollen. Aber was Marx gewiss nicht meinte, ist, dass der Traum des Genossen Friesland und seiner Assistenten den Verlauf der Revolution in Deutschland bestimmen soll.«
    Zacharias beobachtete die Zuhörer und sah, dass Rosa Zustimmung erwarb, aber die Mehrheit gewann sie nicht. Diese Genossen wussten, es ging drunter und drüber im Reich, und sie glaubten, Gewalt und Disziplin seien die Schlüssel des Sieges. Die Arbeiter in vielen Städten hatten ihre Betriebe übernommen und verwalteten sie nach eigenem Ermessen. Was interessierte sie, wie es anderen Unternehmen ging, wenn sie nur selbst über die Runden kamen. In einigen Firmen war der Sechsstundentag eingeführt worden, in anderen wurde sieben Stunden gearbeitet oder gar nicht, weil Zulieferer nicht geliefert hatten oder sich Fertigware in Lagern stapelte, ohne dass Käufer gefunden würden. Auch nahmen die Gewaltdelikte und sonstige Straftaten zu, der Mob regierte in manchen Orten nicht nur auf der Straße. Wilde Gestalten bemächtigten sich durch Zufallsmehrheiten der Räte und der Verwaltungen. Der Polizeipräsident von Duisburg hatte eine Karriere als Zuhälter hinter sich, in Hannover hatte eine Bande von Hehlern den Leuten das Blaue vom Himmel versprochen, vor allem Weizen aus Russland und Mais aus Amerika. Natürlich musste die Zentralgewalt gestärkt werden, weil sonst bald überall die Anarchie herrschte. Aber Friesland, Pieck und Genossen wollten mehr als das, nämlich den Terror der revolutionären Parteien, von denen am Ende nur eine überbleiben sollte, wie es den bolschewistischen Spielregeln entsprach.
    Während Rosa auf die Genossen der Zentrale einredete, Liebknecht wiederholte, was er schon gesagt hatte, und Friesland den Terror predigte, überlegte Zacharias, wie er dem Schlamassel entgehen könnte. Es war klar, die Untersuchungskommission stand auf der Kippe. Die Mehrheit würde versuchen zu verhindern, dass er seine Arbeit fortsetzte. Sie waren der Wahrheit nahe gekommen, die Leninfraktion wurde nervös.
    Dann hörte er Pieck schimpfen: »Dass Arbeiterschinder dieser sogenannten Untersuchungskommission des Genossen Zacharias angehören, ist ein Verrat an der revolutionären Ehre unserer Partei.«
    Donnernder Beifall.
    Zacharias meldete sich zu Wort: »Ich folge nur dem bolschewistischem Beispiel und benutze bürgerliche Spezialisten. Wenn Sie mir einige sozialistische Kriminalisten zuordnen möchten, ich wäre sofort bereit, die Spezialisten zu entlassen.«
    Gelächter. Einer rief: »Gut gebrüllt, Löwe.«
    Ein anderer: »Dumme Ausreden.«
    Pieck erwiderte: »Aber die Bolschewisten lassen sich von diesen Spezialisten nicht vorschreiben, was sie zu tun haben.«
    Ein dummer Einwand, dachte Zacharias. »Wer sagt denn, dass ich mir von denen etwas vorschreiben lasse?«
    »Das ist doch offensichtlich!« rief Friesland. »Das sieht ein Blinder. Sonst kämen Sie nicht auf solche dummen Gedanken. Sie haben die Leitung in Ihrer Kommission längst verloren, ohne es zu merken!«
    Beifall.
    Rosa beantragte eine Pause. Dann winkte sie Zacharias zu sich, Jogiches schloss sich an, dann auch Clara Zetkin. Sie gingen in das Zimmer, das Zacharias schon kannte.
    Rosa lehnte sich an die Wand, Jogiches setzte sich an den Tisch und zündete sich eine Zigarette an. Clara Zetkin lief unruhig umher. »Und wenn wir einen Kompromiss finden? So falsch wäre es doch nicht, die Zügel ein wenig

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