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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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mühte sich, die Angst vor der Wahrheit zu überwinden. Es war doch klar, er hatte sich zu lange nicht gemeldet. Sie war nicht mehr zu seinen Eltern gekommen, um nach ihm zu fragen.
    Er ging zur Haustür und drückte die Klinke. Die Tür war nicht abgeschlossen. Drinnen war es stockdunkel. Er hielt die Haustür offen, so dass Licht von der Straßenlaterne in den Flur fiel. Zacharias las die Namen an den Briefkästen. Da stand »Wolkenhauer«, die Eltern wenigstens wohnten noch hier. Er verharrte eine Weile und überlegte, ob er bei Wolkenhauers klopfen sollte. Die Eltern hätten ihn wohl gern als Schwiegersohn angenommen. Aber was dachten sie jetzt?
    Er hörte Schritte auf dem nassen Kopfsteinpflaster der Straße. Zacharias erschrak, dann ging er hinaus und schloss die Haustür. Die Schritte kamen näher, dann verstummten sie. Er schaute in die Richtung, aus der er die Schritte gehört hatte. Es war eine Frauengestalt. Sie stand ein paar Meter vor ihm, und er erkannte sie sofort.
    Sie stand nur da und schaute ihn mit großen Augen an. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. In ihren Augen las er Freude, dann Wut, dann Trauer. Aber vielleicht spiegelten sie nur die Empfindungen, die sie in seinen Gedanken haben musste. Sie verharrten eine Weile im Nieselregen. Tropfen glänzten im Laternenschein auf ihrem Haar, sie hatte es hinterm Kopf zusammengebunden. Ihr Gesicht war knochig geworden, der Hunger hatte es verändert. Aber die Augen waren noch die, die ihn im Traum verfolgt hatten.
    »Du, hier«, sagte sie leise. Es klang in seinen Ohren so wie: Du bist also nicht tot.
    »Nein«, sagte er. »Ich lebe.«
    Sie blickte ihn an, und ihm schien es, als schüttelte sie den Kopf. »Du hast nicht geschrieben.«
    »Doch. Ich habe aber nie einen Brief abgeschickt. Es ging nicht. Die Post ging nicht. Revolution, Bürgerkrieg.«
    Eine Träne glitzerte unter ihrem Auge. Sie hob die Schultern und senkte sie wieder.
    »Ich wollte dich nicht überfallen«, sagte er. »Tut mir leid.«
    »Das ist dir aber nicht gelungen«, sagte sie. Zacharias glaubte, ein Lächeln zu sehen in ihrem Gesicht. Sie erinnerte sich gewiss an seine Vergesslichkeit, daran, dass er früher Verabredungen oft nicht eingehalten hatte. Fast hätte er gesagt, die Bolschewiken hätten ihm das ausgetrieben. Aber dann fiel ihm ein, dass die Bolschewiken sich um Termine auch nicht scherten und damit gerade ihre ausländischen Gäste zur Verzweiflung trieben. Die Tscheka hatte ihm die Unzuverlässigkeit ausgetrieben. Aber das wollte er Margarete nicht sagen.
    Sie kam einen Schritt näher. »Und jetzt bist du wieder hier«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Und besuchst mich.«
    »Ich kam hier vorbei.«
    »Zufällig«, sagte sie. Ihre Augen waren traurig.
    »Vielleicht nicht ganz.«
    »Vielleicht nicht ganz«, wiederholte sie.
    Die Fragen lagen ihm auf der Zunge. Ob sie einen anderen hatte? Warum sie sich nicht mehr erkundigt hatte nach ihm. Er traute sich nicht. »Wie geht es dir?« Seine Stimme war belegt, und er schalt sich wegen seiner Dummheit.
    »Wie es einem so geht in diesen Zeiten«, sagte sie.
    »Hast du Arbeit?« fragte er. Dabei hätte er fragen wollen, ob sie ihn noch liebe. Seine Zunge bildete die falschen Wörter.
    »Ja. Aber das Geld reicht nicht. Die Inflation.«
    »Wir bezahlen jetzt den Krieg«, sagte er und kam sich vor wie ein Schwätzer.
    »Wir bezahlen den Krieg, seit er begonnen hat«, erwiderte sie.
    »Ich muss jetzt weiter«, sagte er, während er dachte: Hoffentlich bittet sie mich in die Wohnung.
    »Du musst jetzt weiter. Wenn das so ist, da kann man nichts machen.«
    »Wir müssen reden«, sagte er. Endlich ein wahrer Satz.
    »Wenn wir es müssen«, sagte sie. Er glaubte, sie wieder lächeln zu sehen. »Redselig bist du nicht geworden in Russland.« Sie hatte ihn früher oft verspottet als den großen Schweiger. Nur auf Versammlungen und wenn es um Politik ging, ja, da rede er wie ein Wasserfall.
    Nein, er mochte nicht daherreden. Doch er beneidete Leute, die es konnten. »Aber vielleicht schaust du mal vorbei, wenn du Zeit hast. Jetzt geht es ja leider nicht.«
    »Ja. Ich komme bald wieder.«
    Sie sagte nichts. Er wusste, sie schaute ihm nach, als er die Straße hinunterging. Was bist du für ein Feigling, schimpfte er lautlos. Im politischen Streit, da reißt du die Klappe auf, für die Tscheka riskierst du dein Leben, aber vor Margarete kriegst du kein vernünftiges Wort raus. Lächerlich. Du bist eine lächerliche Gestalt.
    In der Nacht konnte

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