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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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werde.«
    Zacharias war erleichtert. Endlich jemand, dem er vertraute und der ihm vertraute. Jetzt war es leicht, mit der Führung der Partei in Kontakt zu kommen. Reuter alias Friesland kannte Lenin, Radek, Trotzki, Sinowjew und andere bolschewistische Führer. Er würde eine wichtige Rolle spielen in der deutschen Partei.
    »Ich muss Jogiches treffen. Nur wenn der es befürwortet, komme ich näher heran an die Genossin Luxemburg.«
    »Das wird schwierig genug. Die Genossin hat nach dem Mordanschlag endlich eingesehen, dass sie ihre Sicherheit ernst nehmen muss. Wir sind irgendwie alle noch Sozialdemokraten, die glauben, dass ihnen nichts Schlimmeres geschehen könne als so etwas wie die Sozialistengesetze. Aber da sind Mörder auf den Straßen, und der Mob will unsere Leichen.«
    Reuter-Friesland schüttelte den Kopf. Er sah traurig aus, aber auch entschlossen. »Nur würde ich Jogiches nicht erzählen, dass Sie mit Radek gesprochen haben oder sprechen werden.«
    »Ich weiß«, sagte Zacharias, »die Genossen hassen sich. Alte Geschichten.«
    »So ist das in der Emigration und in konspirativen Zirkeln. Da wächst das Misstrauen, da treten schlechte Eigenschaften in den Vordergrund. Da werden aus kleinen Dingen Riesengeschichten. Aber vielleicht war Lenin auch nicht gut beraten, ausgerechnet Radek zu seinem Sprachrohr in Deutschland zu machen.«
    »Wen sonst?« fragte Zacharias. Dann fiel ihm ein, dass Friesland sich für den besseren Moskauer Emissär halten könnte.
    Friesland zuckte die Achseln.
    Zacharias schaute sich um. Es war ein deutsches Wohnzimmer, mit einer Vitrine an der Wand, einem verschlissenen braunen Sofa, mit Familienbildern, eines trug einen schwarzen Trauerrand. Es zeigte einen jungen Mann in Uniform. Die Frau saß auf dem Sofa. Sie hatte nichts gesagt, während Friesland und Zacharias gesprochen hatten.
    »Das sind gute Genossen, die uns die Wohnung manchmal überlassen für ein paar Stunden«, sagte die Frau.
    »Wie heißen Sie, wenn Sie mir das vielleicht verraten würden?« fragte Zacharias.
    »Sonja Mandereit.«
    »Wo wohnen Sie?« fragte er.
    Sie lächelte. »Sie sind vielleicht ein wenig zu neugierig. Besser, Sie wissen es nicht.«
    Friesland erhob sich vom Sessel. Er bewegte sich langsam, war erschöpft. »Genosse Zacharias, Sie gehen nach Hause und warten auf Nachricht. Die Genossin Mandereit wird sich bei Ihnen melden. Wahrscheinlich morgen mittag.«
    Das Leben eines Revolutionärs besteht aus Warten, dachte Zacharias. Er wollte etwas tun, das Herumlungern erzeugte nur trübe Gedanken. Aber immerhin, er würde Sonja bald wiedersehen. Auf dem Rückweg musste er über sich lachen. Gestern hatte er Margarete getroffen, und er war zu feige gewesen, sich mit ihr auszusprechen. Heute traf er eine fremde Frau, die ihm gefiel, und er freute sich, sie wiederzusehen. Ich bin ein Mensch, der sich nicht entscheiden kann, in privaten Dingen jedenfalls. Weil sich entscheiden verzichten heißt? Nein. Aber was nutzt es, wenn ich mich ent scheide, und Margarete will etwas anderes? Ich fürchte die Wahrheit, laufe vor ihr weg. Bestimmt hat sie einen neuen Freund gefunden. So ein Mädchen bleibt nicht lang allein. Es sei denn, sie will es. Wollte sie es?
    Nüchtern betrachtet, war Zacharias für sie so gut wie tot gewesen. Warum sollte sie auf einen Toten warten? Er fühlte sich, als hätte er keinen Boden unter den Füßen. Es ging alles zu schnell. Im Kopf war er noch halb in Russland. Die letzte Nacht hatte er wieder von Erschießungen geträumt, auch von den Prügeln für Bauern, die verdächtigt wurden, Getreide zu verstecken.
    Der Hauptfeind der Revolution ist der Hunger, sagte er sich. Mochten die Bauern schuld sein, das Volk forderte Essen von der Regierung. Arbeiter streikten, und die Tscheka bekämpfte sie. Es gab Gründe für den Terror, gewiss. Aber der Terror war abscheulich. Und wenn sie in Deutschland siegten, dann würde es auch hier ohne Terror nicht gehen. Es würde Streit in der Partei geben. Aber noch waren sie zu schwach, um an den Sieg zu denken und die Qualen, die er ihnen bereiten würde. Das hatte Zacharias in Russland gelernt, die Revolution war nicht der Kladderadatsch, dem das Paradies auf Erden folgte, wie Bebel es beschworen hatte. Die Revolution ist zuerst Gewalt, oft auch gegen die, denen die Revolution dient. In seinem Kopf lief alles durcheinander, Margarete, der Terror und die Schuld, die er auf sich geladen hatte. Und morgen würde ihn Sonja abholen.
    Radek wartete auf

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