Das Luxemburg-Komplott
Miene zu verziehen.
»Haben Sie für diesen schrecklichen Vorwurf einen einzigen Beweis? Ein Dokument vielleicht? Ein Lauschprotokoll? Sie haben doch bestimmt Ihr Ohr an die Tür gedrückt, um zu erfahren, was wir zu besprechen hatten.«
»Mir genügt, dass ich Sie zusammen überrascht habe.«
Zacharias freute sich. Der Mann hatte im Übereifer zugegriffen, ohne zu versuchen, sie zu belauschen. Dann wäre es eng geworden. Zacharias wusste, so viel Glück würde er nie mehr haben. Er schielte zum Kriminalpolizeirat und glaubte, Zorn in dessen Augen zu lesen, auch wenn die Mimik nichts verriet. Der Kriminalpolizeirat setzte seine Brille ab, wischte sich über die Augen und setzte die Brille wieder auf. Lohmeiers Blicke folgten jeder Bewegung. Was für ein Würstchen!
»Und wenn Sie für uns arbeiten«, sagte der Kriminalpolizeirat. Er hatte eine tiefe, ruhige Stimme. »Gegen gute Bezahlung natürlich. Sie könnten dem Vaterland einen Dienst erweisen. Schlimmer noch als die Niederlage im Krieg wäre ein Sieg der Bolschewisten. Die Niederlage kann man auswetzen, eine Revolution eher nicht. Sie würde unsere Zivilisation zerstören und mehr Not über unser Volk bringen als der Krieg. Sie waren doch in Russland, Sie wissen es besser als ich.«
Zacharias überlegte. Dann sagte er: »Was könnte ich Ihnen nutzen? Ich versuche schon die ganze Zeit, dem Kommissar zu erklären, dass ich kein Spartakist oder Bolschewist bin. Ich bin ein Kriegsheimkehrer, der sich nichts mehr wünscht, als eine anständige Arbeit zu bekommen.«
»Die ich Ihnen biete.« Der Kriminalpolizeirat betrachtete Zacharias aufmerksam. »Ich kann es doch verstehen, dass man sich ansteckt mit dem Revolutionsbazillus. Das hat was Mitreißendes. Und der Zarismus war Mittelalter, Kerenski eine Flasche, Spielball der Entente. Die Bolschewisten haben das verstanden und die Kriegsmüdigkeit ausgenutzt. Sehr klug haben die das gemacht. Aber sie hätten es nicht tun können, wenn nicht Ludendorff Lenin und Konsorten nach Russland hätte reisen lassen. Und Geld haben die Genossen auch bekommen. Diese Oktoberrevolution war deutsche Auftragsarbeit, die wurde vorbildlich erledigt. Allerdings, ich gebe es zu, sind wir über die jetzigen Zustände in Russland weniger erfreut.«
»Das ist die Sache mit dem Flaschengeist«, sagte Zacharias. Dieser Kriminalpolizeirat hatte Niveau, mit dem konnte man reden.
»So kann man es sehen«, sagte der Kriminalpolizeirat. »Was tut man nicht alles im Krieg.«
»Ludendorff hätte ihn vielleicht doch gewonnen, wenn er nicht so gierig gewesen wäre und immer mehr russisches Land erobern wollte.«
»Erwägenswert«, sagte der Kriminalpolizeirat. »Ich habe nie geglaubt an diesen Unsinn, die Heimat sei der Front in den Rücken gefallen und habe der Obersten Heeresleitung den Sieg aus der Hand geschlagen. Hindenburg und Ludendorff hatten sich verrechnet und nicht den Mut, es einzugestehen. Aber kommen wir zur Sache. Herr Zacharias, überlegen Sie es sich, ob Sie nicht für uns arbeiten wollen. Sie könnten versuchen, in die Spartakistenkreise einzudringen, und uns unterrichten, was die planen.«
»Ich denke keine Sekunde darüber nach, wenn ich nicht freigelassen werde. Und die Dame auch.« War es feige, nicht auch Radeks Freilassung zu fordern? Nein, es hätte ihn verraten und Radek nicht genutzt.
»Und Radek?« fragte Lohmeier.
Zacharias zuckte die Achseln. »Ich hielt ihn für einen finnischen Pelzhändler. Wenn er das ist, was Sie behaupten, hat er Pech gehabt.«
Lohmeier wechselte Blicke mit dem Kriminalpolizeirat. Dann verließen beide das Zimmer, ein Schupo bewachte Zacharias.
Nach wenigen Minuten erschienen die beiden Kriminalbeamten wieder. »Nun gut«, sagte Lohmeier. »Sie dürfen nach Hause, die Dame auch. Aber wir melden uns wieder bei Ihnen. Sie werden für uns arbeiten, nicht wahr?«
Zacharias zuckte die Achseln. Du brauchst eine versteckte Wohnung, ganz schnell. Und du darfst diesem Lohmeier nicht mehr in die Hände fallen. Beim nächsten Mal bringt er dich um.
Schweigend verließ er das Zimmer und ging ruhigen Schritts die Treppe hinunter. Aber in seinem Kopf arbeitete es. Er hatte ein zweites Mal Glück gehabt. Nun hatten sie ihn auf dem Kieker.
Draußen wartete Sonja. Sie stand an einer Litfaßsäule, um sich gegen den kalten Wind zu schützen. Sie fror trotzdem. Er legte den Arm um ihre Schulter und drückte sie kurz an sich. Sie lächelte ihn an. »Ist doch alles gut«, sagte sie mit leiser Stimme, in
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