Das Luxemburg-Komplott
der die Angst nachklang.
»Nichts ist gut. Sie haben Radek, und uns werden sie sicher beobachten.«
Sonja schaute sich um.
Zacharias lachte gequetscht. »Sie wissen, dass wir nun auch im Hinterkopf Augen haben. Sie werden Spitzel auf mich ansetzen. Für die war ich zu lange in Russland. Und wer von dort kommt, ist besonders gefährlich.« Er fletschte die Zähne.
Sie lachte gequält. »Kein Wunder, so, wie du aussiehst.« Sie hakte sich ein bei ihm. »Wir gehen jetzt zu Jogiches.« Trotz lag in ihrer Stimme.
Sie fuhren mit der Straßenbahn, der Stadtbahn und der Hochbahn und stiegen öfter um, als es nötig gewesen wäre. Ab und zu blieben sie abrupt stehen und sahen sich um. Sie nutzten Schaufenster als Spiegel, und in Unterführungen achteten sie auf Schrittgeräusche. Erst als sie sicher waren, dass ihnen niemand folgte, nahmen sie die Hochbahn vom Wittenbergplatz zum Thielplatz. Es fuhren nicht viele Menschen mit. Ausgemergelte graue Gesichter. Eine alte Frau kaute Luft. Als sie die Station Podbielskiallee verließen, stand Sonja auf und ging zur Tür. Er stellte sich neben sie. In Dahlem-Dorf stiegen sie aus. Sie blieben eine Weile stehen, um zu beobachten, wer noch ausstieg. Nur die alte Frau, die immer noch Luft kaute. Sie ging langsam an ihnen vorbei, beachtete sie nicht. Als sie verschwunden war aus ihrem Blick, gingen Zacharias und Sonja zur Treppe. Sie schauten hinunter, es war niemand zu sehen oder zu hören.
»Gut«, sagte Sonja und führte ihn eingehakt hinaus. Sie kannte den Weg gut. Sie durchquerten villengesäumte Straßen mit Kopfsteinpflaster. Zacharias merkte, dass Sonja sich dem Ziel nicht auf direktem Weg näherte. Aber endlich blieb sie vor einer weißen Villa ste hen, öffnete ein schmiedeeisernes Tor und sagte: »Komm!« Sie nahm ihn an der Hand und ging den Weg hinauf. Dann ließ sie ihn los und zog viermal an einem Klingelzug neben der Eichentür, in die eine in der Mitte geteilte Milchglasscheibe eingelassen war. Nach einer Pause zog sie noch zweimal. Zacharias hörte schnelle Schritte, dann öffnete sich die Tür. Ein Mann nahm sie in Augenschein. Dann sagte er: »Kommen Sie rein, schnell!«
In der saalgroßen Diele hingen Familienbilder. Dicke Teppiche dämpften die Schritte. Es führten zwei Wandtreppen nach oben. Der Mann führte sie die rechte Treppe hoch. Als er sich umdrehte, blitzte der Griff einer Pistole, die im Gürtel steckte. Im ersten Stock führte die Treppe in einen langen Gang mit Holzfußboden, darauf ein Läufer. Der Gang machte einen Knick, so dass sein Ende nicht zu erkennen war. An der Wand auch hier Ölschinken mit Porträts oder Jagdszenen. Auf einem glaubte Zacharias die Löwengruppe im Tiergarten zu erkennen.
Ihr Führer klopfte an eine Tür. Die wurde einen Spalt geöffnet, ein Auge war zu erkennen. Der Führer flüsterte etwas in den Spalt hinein, dann wurde die Tür ganz geöffnet. Der Begleiter eilte an ihnen vorbei, wohl zurück in die Nähe der Haustür, die er bewachen musste. Ein kleiner, dünner Mann mit roten Haaren sagte: »Kommen Sie mit!« Er klopfte an eine andere Tür, auch die wurde nur einen Spalt geöffnet, und auch der Rothaarige flüsterte etwas.
»Lass sie rein!« hörte Zacharias eine kräftige Stimme. Der Rothaarige winkte sie hinein.
Auf einem Stuhl an einem Schreibtisch saß ein mittelgroßer Mann, gut gekleidet, mit exaktem Haarschnitt, bartlos und mit schwarzen klugen Augen. In der Hand qualmte eine Zigarette. Der Gestank verriet, es war nicht die erste, die er rauchte. Am anderen Ende eine weitere Tür, sie war angelehnt. »Nun, Sonja, wen bringst du uns da?«
»Genosse Jogiches, das ist der Genosse Zacharias, er kommt aus Russland …« Sie klang verunsichert.
»Ich weiß«, sagte Jogiches ruhig. Er wies auf eine Sitzecke mit Sofa, Tisch und einem Sessel. Zacharias und Sonja setzten sich auf das Sofa.
»Radek ist verhaftet!« stieß sie heraus.
Jogiches sagte nichts, er zog die Stirn in Falten. Er kratzte sich an der Augenbraue, bedachte die Folgen, die Radeks Verhaftung haben könnte. Die Stirn glättete sich wieder. Offenbar wusste Radek nicht, wo sich Jogiches verbarg. »Sie werden Radek nicht umbringen«, sagte er bedächtig. »Sie werden ihn eine Weile einsperren und ihn gut behandeln. Immerhin ist er so etwas wie der Vertreter Sowjetrusslands.« Er musterte Zacharias eine Weile, dann sagte er: »Sie wollen bei uns mitmachen.«
»Ja«, sagte Zacharias.
»Aha«, sagte Jogiches.
»Ich kenne die Genossin Luxemburg
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