Das Luxemburg-Komplott
es schaden, mit Radek zu sprechen? Zacharias musste selbst herausfinden, wie er seinen Auftrag am besten erfüllen konnte.
Sonja schaute vom einen auf den anderen. Vielleicht erschrak sie über Radeks Offenheit. Aber dann ließ sie es sich nicht anmerken.
»Gerne«, sagte Zacharias. »Wir müssen nur zusehen, wie wir in Kontakt bleiben. Ich werde bald abtauchen müssen. Und Sie leben auch gefährlich.«
Radek nickte. »Sie werden noch heute nachmittag mit Jogiches zusammenkommen. Sagen Sie ihm, Sie hätten mit mir gesprochen, er erfährt es doch.«
Sonja wollte etwas einwerfen, aber sie schüttelte nur den Kopf. Ihre Wangen röteten sich leicht.
»Sagen Sie ihm, ich wäre ein hässlicher Zwerg mit noch hässlicheren Gedanken, der aus der Geschichte der Revolution schleunigst getilgt werden müsse. Aus unerfindlichen Gründen aber habe Lenin mich beauftragt, den deutschen Genossen alle mögliche Hilfe anzubieten: Ideen, Geld, Waffen und demnächst hoffentlich ein paar Divisionen der Roten Armee. Wenn Sie kräftig über mich schimpfen, Genosse Zacharias, werden Sie das Herz von Leo Jogiches gewinnen. Und wenn Sie dessen Herz gewonnen haben, dann haben Sie fast auch schon das Herz der Genossin Luxemburg erobert.« Er lachte laut. »Wussten Sie, dass Jogiches Lenin die Führung der Bolschewiki abkaufen wollte, damals, als wir in Zürich in der Emigration saßen? Stellen Sie sich vor, Lenin hätte sich drauf eingelassen!« Er lachte schrill.
An der Tür klopfte es, dann öffnete sie sich. Ein Hotelbediensteter fragte, ob sie etwas bestellen wollten. »Bringen Sie russischen Wodka, wenn Sie so etwas haben«, sagte Radek.
Der Kellner nickte würdig und ging.
Zacharias schaute Radek streng an. Der lachte. »Sie finden mich leichtsinnig, nicht wahr?«
Zacharias nickte.
»Das ist meine Art der Konspiration. Hin und wieder Dinge tun, die einer im Untergrund nicht tut. Wenn man sich nur so verhält wie ein Konspirativer, wird man früher oder später für einen Konspirativen gehalten. Dass ein Bolschewik im Adlon russischen Wodka bestellt, das glaubt nicht einmal ein deutscher Kriminalkommissar.«
Die Tür öffnete sich wieder, und der Kellner erschien. Er trug ein Tablett mit einer Flasche und drei Schnapsgläsern. Er stellte vor jeden ein Glas und goss dann ein.
»Die Flasche lassen Sie bitte auf dem Tisch stehen«, sagte Radek.
Der Kellner verzog keine Miene. »Natürlich, mein Herr«, sagte er und verließ den Raum.
»Auf die Weltrevolution!« sagte Radek. »Und auf die deutsche, die die zweite Etappe sein wird.« Er trank das Glas in einem Zug aus. Zacharias tat es ihm nach, Sonja nippte.
Die Tür wurde aufgestoßen. Es waren ein Zivilist und vier Schupos. Sie richteten Pistolen auf die drei. Zacharias ließ das Glas fallen vor Schreck. Der dicke Teppich verhinderte, dass es zerbrach. Zacharias schaute den Zivilisten an, der war klein und fett, und er grinste.
»Guten Tag, die Dame und die Herren!« Lohmeier lachte. »Das ist ja eine nette Runde.« Er nahm die Flasche in die Hand und betrachtete das Etikett. »Fein, fein. Wenn ihr nicht Leute umbringt, sauft ihr. So ein Bolschewist hat ein einfaches, schönes Leben. Saufen oder morden.«
Zacharias überlegte, ob Lohmeier ihm und Sonja gefolgt sein konnte.
»Wenn Sie fertig sind mit Ihren klugen Überlegungen, Herr Kommissar, dann würde ich Ihnen vorschlagen, Sie beschäftigen sich einmal mit der Tatsache, dass Sie hier einen bevollmächtigten Vertreter der russischen Regierung vor sich haben, der in Kürze Kontakt mit Ihrer Regierung aufnehmen wird. Sie können natürlich versuchen, ein bisschen Geschichte zu spielen. Ich weiß nur nicht, ob das Ihrer Laufbahn bekommen wird.« Radek war die Ruhe selbst. Es schien, er hatte sich auf eine solche Lage vorbereitet. Tatsächlich hörte der Kommissar auf zu grinsen.
»Und diese Dame und diesen Herrn habe ich zufällig getroffen. Für die bin ich ein finnischer Pelzhändler. Wir kamen ins Gespräch, und dann habe ich sie auf einen Wodka eingeladen. Ist das verboten im Deutschen Reich unter der Regierung der Sozialdemokraten?«
Lohmeier schaute ihn böse an. Aber dann zeigte sich Entschlossenheit in seinem Gesicht. »Abführen!« Darin schwang Triumph.
Sie legten den Gefangenen Handschellen an. Bevor sie die Drehtür erreichten, stellte sich der Kellner in den Weg. »Die Herrschaften haben noch nicht bezahlt.«
Lohmeier schnaubte. Er ließ Radek die Handschellen abnehmen. Der zückte eine Brieftasche und gab
Weitere Kostenlose Bücher