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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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ja sicher wissen, teilen die modernen Breiten-und Längengrade die Erdkugel in vertikale und horizontale Linien auf: Grade, Minuten und Sekunden.«
    In einer hastigen Animation wurde die Erdkugel auf der Leinwand von waagerechten und senkrechten Linien überzogen, die unser modernes Koordinatensystem illustrierten.
    »Wenn die Anzahl der Dezimalstellen präzise und lang genug ist, können wir eine Position mit verblüffender Genauigkeit angeben. Der nördliche Polarkreis zum Beispiel verläuft auf 66°33’39” nördlicher Breite parallel zum Äquator. Rechtwinkelig zu den Breitengraden finden wir die Längengrade oder den Meridian. Der sogenannte Nullmeridian verläuft durch ein Observatorium im Londoner Stadtteil Greenwich. Aber natürlich ist das nur eine von vielen Möglichkeiten, die Erdoberfläche einzuteilen. Die Babylonier hatten eine andere.«
    »Können Sie uns nicht einfach sagen, was Sie entdeckt haben?«, fragte ich eifrig.
    »Das babylonische Koordinatensystem, wie es im Altertum entwickelt wurde und das der Dechiffrierung zugrunde liegt, basiert auf demselben grundlegenden Gedanken wie das System, das wir heute benutzen. Waagerechte und senkrechte Linien, die auf der Zahl sechzig basieren. Trotzdem sind die Systemunterschiede so groß, dass …«
    »Wie lautet das Ergebnis?«, fragte CC .
    Ihr Blick und die winzige Pause, die eintrat, verrieten, dass Dr. Gordon wenig Verständnis für unsere Ungeduld hatte und sich anstrengen musste, ihre Verärgerung im Zaum zu halten.
    »Wie Sie wollen! Übersetzt in unsere modernen Koordinaten gibt Luzifers Evangelium folgende Position an …«
    Eine Reihe Zahlen und Zeichen erschienen auf der Leinwand. Dr. Gordon las jede Zahl laut vor.
    »32°29’34N 44°08’23Ø.«
    »Und das ist wo?«, fragte ich.
    Dr. Gordon drückte auf die Fernbedienung. Auf der Leinwand zoomte die Karte den Nahen Osten heran … Irak … Bagdad … al-Hilla …
    Und blieb stehen.
    Al-Hilla. Irak.
    »Begreifen Sie jetzt?«, fragte CC .
    »Ja«, sagte ich atemlos. Aber eigentlich begriff ich gar nichts.
    4
    Al-Hilla ist den wenigsten Menschen bekannt. Die Stadt liegt hundert Kilometer südlich von Bagdad und war lange das Zentrum der islamischen Lehre. Dorthin wurde der Prophet Hesekiel ins Exil verschleppt und später begraben. Aber al-Hilla hatte vor Tausenden von Jahren einen ganz anderen Namen.
    Einen mystischen, mythenumwobenen Namen.
    Babylon.
    Der legendäre Stadtstaat zwischen Euphrat und Tigris in Mesopotamien. Die Wiege der Zivilisation.
    »Es ist beeindruckend, dass die Babylonier über ein Wissen verfügten, dass es ihnen ermöglichte, derart präzise Positionsangaben zu machen«, sagte Dr. Gordon mit der typischen lexikalischen Distanz eines Schreibtischforschers, der sich niemals in der Wirklichkeit bewegt, der er auf den Grund gehen will.
    »Wie können uns die Koordinaten von Nutzen sein?«, fragte ich. »Es erscheint mir doch ziemlich einleuchtend, dass der Turm zu Babel in Babylon lag. Und dass al-Hilla auf den Ruinen des alten Babylons gebaut wurde, ist ebenfalls bekannt.«
    »Das zu untersuchende Gebiet ist gigantisch groß.«
    »Die Koordinaten treffen nicht exakt auf al-Hilla«, erklärte Dr. Gordon. »Sie zeigen auf einen Punkt, der genau auf der Grenze zwischen der Wüste und der fruchtbaren Landschaft entlang des Euphrat liegt.«
    »Und dort«, sagte CC , »stand der Turm zu Babel.«
    »Da ist dem guten Moses – oder wer auch immer das erste Buch Mose geschrieben hat – wohl einiges durcheinandergeraten, als er den Mythos von der Zerstörung des Turms zu Babel beschrieb«, sagte Dr. Gordon und betätigte die Fernbedienung. Auf der Leinwand war zu lesen: Babylon
    Babilu
    Bāb-ilû

    Babel
    Balbal
    »Babylon ist der griechische Name für Babilu – oder Bāb-ilû auf Akkadisch. Auf Hebräisch wird esgeschrieben, was mit unseren Buchstaben zu babel wird. Das Wort ähnelt dem hebräischen Verb balbal , was so viel wie verwirren bedeutet. So entstand der Mythos, dass Gott die Menschen verwirrt hat, indem er ihnen unterschiedliche Sprachen gab. Im ersten Mosebuch im Alten Testament steht geschrieben: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist

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